Diverse Rezensionen Hans Platzgumer "Expedition"


http://fm4.orf.at/connected/193936
http://www.falter.at/rezensionen/detail.php?id=2587&SESSID=37dbbb589e0c8f6333399a60bcd05b96
http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=k&ressort=ku&id=473877
http://derstandard.at/?url=/?id=1999260

Wildner:
Hans Platzgumer: Buch & Doppel-CD - Eine Betrachtung
Selten, dass einem heimischen Musik so viel Aufmerksamkeit zu Teil wird: halbe Seite „Presse“ (Christoph Huber), halbe Seite „Standard“ (Christian Schachinger), eine Seite „Falter“ (Sebastian Fasthuber) und vieles an Medienecho mehr. Auf Hans Platzgumer trifft der Begriff des „Kritikerlieblings“ in vollem Umfang zu. Die Aufmerksamkeit, die er immer wieder erhält, steht ihm hundertprozentig zu, denn diese vielfältige Karriere (alleine die Diskografie!), die einem Siebzigjährigen zur Ehre gereichen würde, ist nicht nur für österreichische Verhältnisse eine Ausnahmeerscheinung, dabei ist Hans Platzgumer gerade mal 36 Jahre alt. Diese bunte, Output-reiche Karriere ist Anlass genug, zweifach Zwischenbilanz zu ziehen: In Buchform („Expedition. Die Reise eines Underground-Musikers in 540 KB“) und als Werkschau auf zwei CDs („Hans Platzgumer: Expedition 87-04“), wobei der erste Tonträger die Rock/Grunge-Phase von Platzgumer im Bandkontext, der zweite seine Annäherungen an die Welt der elektronischen Musik zum Klingen bringt. In den unterschiedliche Tracks werden die Erzählungen der Karriereschritte, der Höhepunkte und der Tiefschläge, die einfach beeindruckend im Buch dargestellt werden, plastisch und hörend nachvollziehbar gemacht. Die Inhalte des Suchens und Findens sowie die inneren und äußeren Reisen des Protagonisten sind besonders in der schriftlichen „Expedition“ für Musikschaffende und Musikbusinesseingeweihte von einer kriminalistischen Spannung, die das Auslesen des Buches in einem Zug geradezu herausfordert. Sehr berührend wirkt die Offenheit in der Beschreibung der Musiker- und Menschwerdung des Hans Platzgumer, die elegant und selbstverständlich das künstlerische Leben mit dem privaten verbindet. Der Umstand, dass das Buch ohne die Unterstützung des Bundeskanzleramtes und des Landes Tirol offensichtlich nicht möglich gewesen wäre, spricht eine ähnlich deutliche Sprache wie die Publikation selbst. Dieses Paket des Innehaltens, Mitteilungsbedürfnisses und Dokumentationswillens eines österreichischen Musikers mit weltweiten Referenzen und Anerkennungen zur Noch-Nicht-Lebensmitte ist eine Besonderheit, die nicht nur im heurigen Jahr nicht zu übertreffen möglich scheint. Dieses Buch-CD-Kombipack ist ein (Über)Lebenspaket, das in jeder Musik(business)ausbildung auf den Lehrplan und die Literaturliste gehört. Lernen im Gespür der prickelnden Gänsehaut, eine Mutinjektion und ein Vorbild für nicht nur junge Musikausüber. Hätte der Amadeus eine Kategorie „Lebenswerk zur Halbzeit“, der erste Gewinner stünde bereits fest.

 

CHRISTOPH HUBER (Die Presse)
Hans Platzgumer blickt auf fast zwei Jahrzehnte im Underground zurück. "Zwischen den Zeilen geht es um die Entwicklung vom Punk-Söhnchen zum Familienmenschen": Hans Platzgumer über seine "Expedition". | (c) apa Die Reise eines Underground-Musi kers in 540 KB" lautet der Unterti tel von "Expedition", dem auto biografischen Roman des 35-jährigen Hans Platzgumer. "540 Kilobyte, das war die Größe der Word-Datei mit dem Manuskript", sagt der schlaksige Musiker: "Mir ist es als Vergleichsgröße extrem wichtig. In dieser Datei steckt praktisch mein ganzes Leben, aber sie ist so klein, dass sie auf jede Floppy-Disk passt. Ein Sound-File dieser Größe würde bloß drei Sekunden dauern. Und es wäre gar so nicht leicht, in der Kürze gute Musik zu machen." Oder sein Leben hineinzupacken: In Papier-Dimensionen misst "Expedition" 334 Seiten und schildert in einer Mischung aus Anekdoten und Reflexionen einen der faszinierendsten Lebensläufe der heimischen Musikgeschichte: Geboren als Sohn eines konservativen Beamten im schnell als beengend empfundenen Innsbruck, tauchte Johann Platzgummer früh in die heimische Underground-Szene ab, veröffentlichte mit 17 sein Solodebüt, das ihn (Fehlerteufel!) nicht nur zum Platzgumer machte, sondern auch, nicht zuletzt dank des Titels, einen gewissen Kultstatus erlangte: "Tod der CD!" "Wild und unhörbar" findet Platzgumer heute das mit Omas Geld produzierte Do-It-Yourself-Punk-Statement, vermerkt aber nicht ohne Stolz, dass auf dem in entsprechender Ästhetik bekritzelten Cover "trotz meines schlechten Englisch" zahlreiche Schlagwörter stehen, die erst Jahre später in den Allgemeingebrauch übergingen, "wie Lo-Fi und Independent". Das ambitionierte Unternehmen, das Platzgumer dann über Berlin nach New York führte, war keineswegs Lo-Fi: Mit seinem semi-legendären Rock-Trio HP Zinker versuchte sich Platzgumer bis Mitte der Neunziger als bestechender Verwalter epischen Siebziger-Sounds, eiferte Vorbildern wie Queen nach, "im Versuch, das perfekte Album einzuspielen". Im Grunge-Boom um Nirvana kamen HP Zinker als zwar nicht wirklich in die Welle passende, aber eben rockende Band samt Major-Vertrag dem großen Durchbruch bedenklich nahe. Just ihre letzte und beste, doch kaum erhältliche Platte "Mountains of Madness" fiel aber der Rückbesinnung der Branche zum Opfer, die - als sich "die neuen Nirvana" nicht im Dutzend einstellen wollten - Verträge ebenso hastig wieder löste, wie sie geschlossen worden waren. Mit der ausführlich beschriebenen Tourmüdigkeit (drastisch illustriert als "vermoderter Gestank an meiner Seele") auch Anlass für das Ende von Platzgumers Rock-Phase. Seither hat er sich in einer Vielzahl von Projekten wie "Cube & Sphere", "hp.stonji" oder "Shinto" einer Vielzahl elektronischer Stile zugewandt, in München Ende der Neunziger ein zweites Mal Hausse und Baisse eines Musik-Hypes erlebt, diesmal in der Elektro-Szene. Das illustriert etwa eine publikumsvernichtende Beschreibung eines DJ-Abends des Kollegen Richard Dorfmeister. Zitat: "Er konnte einen Plattenspieler bedienen und hatte damit bewiesen, dass er ein wahrhaftiger DJ, ja ein Halbgott war." Musik ist in "Expedition" weniger Thema als Anlass, um zwischen teils heiteren, teils angefressenen Anekdoten herumzuspringen. Musikhistorische Erkenntnisse fallen nebenbei ab, eher hat das Buch etwas von Bekenntnisliteratur, auch im Stil, der zwischen Unbekümmertheit und Ziselierung schwankt. (Unlängst hat Platzgumer auf einem André-Heller-Album mitgewirkt.) "Zwischen den Zeilen", erklärt Platzgumer, "geht es ja um die Entwicklung vom rotzigen Punk-Söhnchen zum ausgewogenen (Familien-)Menschen. Und um das Akzeptieren der eigenen Unwichtigkeit, um eine Bescheidenheit, die man erlernen muss." Was sich auch in seiner musikalischen Entwicklung spiegelt - vom großen Konzeptalbum-Traum bei HP Zinker zur kleinteiligen Elektronik-Arbeitsweise: "Wie eine kleine Firma. Wichtig sind die Pausen, etwas weglegen, später mit frischem Blick daran gehen, das eröffnet neue Perspektiven. So kann's mich auch nicht von einem Tag auf den anderen auf die Schnauze hauen, da mach ich halt was anderes weiter." Das ist für Platzgumer auch die Lehre aus seiner "Expedition", die in einer fiktiven Begegnung mit dem Traumziel Nordpol endet: "Es gibt nur ein Scheinziel. Es ist wichtig, eines zu haben - aber wenn man hinkommt, ist nicht mehr wichtig, ob es noch da ist. Denn unterwegs hat man so viel gelernt, sich so sehr verändert." Hausbacken gesagt: Der Weg ist das Ziel? "Das ist mir zu hausbacken, eine fast christliche Logik. Lieber zitiere ich meine alte Lieblingsparallele mit berühmten Entdeckern: Wenige Wochen, nachdem Amundsen den Pol erreicht hatte, brach er zur nächsten Expedition auf. Vielleicht ist es eine Art Sucht. Das Ziel ist nur ein Ziel, weil es deinen Horizont erweitert. Und dadurch erkennst du andere Ziele. Insofern kann das ultimative Ziel nur sein, immer weiter zu kommen. Und dabei zu erkennen, dass man nie ankommen kann."

 

Westzeit:
Hans Platzgumer ist bereits seit vielen Jahren als Kopf von HP Zinker, als Solointerpret eine Institution des Underground. In seinem Buch erzählt er von grotesken Tour- u. Studio-Episoden zwischen New York, Berlin, Tokio, Moskau oder London. Seine Erinnerungen bewegen sich in der Grauzone zwischen Erinnern und Vergessenheit. Wer „Dorfpunks“ von Platzgumer-Freund Rocko Schamoni oder „Fleisch ist mein Gemüse“ von Schamoni-Spezi Heinz Strunk gelesen hat, wird auch hier seine Freude an den Geschichten aus dem musikalischem Underground haben. Nur spielen diese kleinen Episoden des Lebens nicht irgendwo in der deutschen Provinz, sondern in der ganzen Welt. Und sie sind nicht fiktiv, sondern real. Ein interessantes Buch-Debut eines feinsinnigen Künstlers.

 

Salzburger Nachrichten
Das Leben in Liedern dauert 160 Minuten oder zwei CDs lang oder 41 Songs. Das Leben in Zeilen umfasst 334 Seiten in einem Buch. Auf diese Längen hat der 1969 geborene Tiroler Hans Platzgumer sein bisheriges Schaffen komprimiert. Das klingt kurz und bündig. Bei näherer Betrachtung aber breitet sich eines der erstaunlichsten Œuvres aus, das je ein österreichischer Musiker im Pop geschaffen hat. Das Bittere daran: Trotz Kritikerlob hat es nie zum Durchbruch gereicht. Platzgumer blieb in Bezug auf seine Bekanntheit immer Underground. Rund 50 Alben und 27 Soundtracks - zwischen rockiger Gitarrenarbeit und Elektrofeinheiten - hat er seit 1987 aufgenommen. Er lebte unter anderem in New York, Tokio, Brighton, Hamburg, am Bodensee und in Wien. Für ihn gilt wie für keinen anderen österreichischen Popmusiker, dass er ein Reisender ist. Das will er zwar nicht auf Bewegung im Sinn von Fortfahren bezogen haben, aber auf das, "was sich im Kopf abspielt". Und manchmal bestimmten eben "Kopf oder Herz für ein Musikprojekt", dass es auf Reisen gehen muss. Vor zwei, drei Jahren tauchte rund um das 15-Jahre-Jubiläum seines Debütalbums "Tod der CD!" die Idee auf, eine Anthologie herauszubringen. Es begann ein langes Sichten, Stauen, Wegwerfen und wieder Herausnehmen. Die Beschäftigung mit "den alten Sachen" stimmte manchmal "ein bisserl nostalgisch" und manchmal auch ärgerlich. Legendäre, von der internationalen Kritik gefeierte Alben wie "Perseverance" oder "Mountain of Madness" hörten sich immer noch so an, "wie sie sein sollten". Er wunderte sich über manche Entdeckung, "an die man im Lauf der Zeit gar nimma gedacht hat". Manches hätte in der Rückschau "besser gemacht werden können". Die Rückschau allerdings liegt Platzgumer nicht. "Mir ging's darum, meinen Weg nachvollziehbar zu machen. Für mich ist klar zu hören, wie ein Projekt das nächste ergab, wie sich jüngere Aufnahmen auf alte beziehen, sie weiterentwickeln oder wie sie ganz neue Wege einschlagen", sagt er im SN-Interview. Die Stücke auf der Doppel-CD trennte er nach Gitarrenarbeit und elektronischen Werken. Dass beides an manchen Stellen auf "Expedition 87 - 04" hörbar korrespondiert, zeigt, "wie alles ein Teil des Ganzen ist...Kein Schritt war ohne den vorigen möglich, manche haben sich einfach ergeben, manche war jedoch auch richtig nötig." Zum zweiten Mal erscheint mit dieser Anthologie ein Album Platzgumers in Österreich, bevor es den Rest der Welt erreicht. Lang war das anders. Seine hochgelobten Projekte von hp Zinker (deren Auftritte in New York Ende der 80er Jahre zur Gründung von Matador Records geführt haben) über die Mitgliedschaft bei der Hamburger Punktruppe Goldene Zitronen bis zur unterhaltsamen Münchner Electro-Poppartie Queen of Japan kamen über Umwege ins Heimatland. Erst das Projekt "Convertible" im vergangenen Jahr änderte das. Gleichzeitig mit der CD erscheint das Buch "Expedition. Die Reise eines Underground-Musikers in 540 KB". Ausgangspunkt war vor vier Jahren der Auftrag des Bayrischen Rundfunks, ein Hörspiel zu gestalten. Das Hörspiel gibt es bis heute nicht. Das Buch - verfasst mit dem Salzburger Didi Neidhart - wurde keine klassische Biografie, erzählt aber Geschichten, die Platzgumer erlebt und erlitten hat. Die Mengenangabe "540 Kilobyte" im Titel bezieht sich auf die Größe der Word-Datei, die das Manuskript hatte. Umgerechnet auf Musik hätten da drei Sekunden Platz. Nicht viel in Anbetracht des musikalischen Werkes dieses Mannes.

TIROLER GEGENWARTSLITERATUR 834 Expedition
Ein Innsbrucker Beamtensohn zieht in die Welt hinaus und wird Weltstar. Was wie ein Märchen klingt, ist die Biographie des Totalmusikers Hans Platzgummer. Seit ihm auf einem Plakat ein "M" weggekommen ist, nennt er sich Platzgumer, was sich im Englischen sicher ins Gedächtnis einbrennt als Gummi, den man mit Vollgas in den Platz einbrennt. Mit den Namen hat es überhaupt so manche Bewandtnis. In der Musikszene wird oft nicht die Musik verändert sondern der Namen der Künstler. So erlebt das Publikum altbewährte Musik unter stets neuen Namen. Hans Erich Platzgumer wird zu HP Zinker (wegen der langen Nasen, dem Zinken mitten im Gesicht), nennt sich und seine Mitmusiker Shinto, Queen of Japan oder einfach E:GUM. Im Anhang des Romans gibt es eine ganze Seite voll Pseudonyme, die Diskographie füllt gar sieben Seiten und bietet so einen recht handfesten Ausstieg aus dem Roman. Jawohl, Roman. Mit "Expedition" schreibt Hans Platzgumer zwar vordergründig so etwas wie eine Autobiographie, aber von der Ironie, dem witzigen Zapfhahn zum eigenen Gedächtniss und der skurrilen Stoffülle her gesehen handelt es sich um einen Künstlerroman, der es durchaus mit Eduard Mörikes "Maler Nolten" oder Gottfried Kellers "Der grüne Heinrich" aufnimmt. Noch in Jahrzehnten wird man in "Expedition" nachlesen können, was in der Musikszene zwischen 1980 und 2005 abgegangen ist. Zollkontrollen bis zum Orgasmus, die Müdigkeit und Aufgekratztheit bei Tourneen, das ständige Wachhalten der eigenen Mission, der Glaube an die eigene Qualität und schließlich jener federnde Absprung aus dem Kaff Innsbruck in die Welt hinaus ­ das ist höchste Literatur, wie sie nur die besten fiktionalen Helden zusammenbringen. Die 540 KB im Untertitel entsprechen schließlich jener Datenmenge, mit der sich eine Autobiographie abspeichern läßt, und verglichen mit Musikfiles ist das eine dünne Materie. Nach Tourneen durch sämtliche Kontinente, dem permanenten Changieren von Musikrichtungen und einem Wirrsinnsknoten an Kompilationen, kehrt über dem Nordpol so etwas wie musikalische Ruhe ein. Hans Platzgumer landet schließlich auf jenem Podest über dem Nordpol, wo die Musik magnetisch perfekt in sich selbst ruht. Grandios sind die Eigendarstellungen der Musik, in lyrischen Sequenzen geht es um Loops, Riffs und ausgefranste Gehörränder, die den Musiker beim Spielen umspülen. Kaum sichtbar apert immer wieder ästhetische Theorie aus und mündet oft in Handwerkers-Heimlehrsätzen. Etwa wenn Platzgumer beschreibt, dass er zwischendurch genug von den Instrumenten hat und sich an der Musik zu schaffen macht. Oder wenn er sich das Medium Filmmusik erobert. Untergrundmusiker bedeutet auch, unter gängigen Mainstreams, akademischen Wirrnissen und einem ephemeren Tagessound hindurchzutauchen wie eine musikalische Robbe, die den Fängern entwischt. "Ich bin im Grunde genommen nichts anderes als ein vergänglicher physikalischer Prozess, eingebunden in höhere kosmische Zusammenhänge. Ich nehme etwas auf und gebe etwas ab. Ich werde von etwas aufgenommen und in etwas abgegeben. Ich treibe in meiner Dunkelheit, in der Atmosphäre." (296) Hans Platzgumers Expedition ist eine bescheiden gehaltene aufregende Annäherung an jene Spannung, die sich bei Künstlern zwischen dem inneren und dem äußeren Nichts täglich entlädt.
Hans Platzgumer: Expedition. Die Reise eines Underground-Musikers in 540 KB. Vom inneren Nichts ins äußere Nichts. Vom Parasiten an den Nordpol.
Innsbruck: Skarabaeus 2005. 333 Seiten. EUR 19,-. ISBN 3-7082-3188-0.
Hans Platzgumer, geb. 1969 in Innsbruck, lebt als Musiker und Autor in München und am Bodensee.
Helmuth Schönauer 04/09/05  
www.schoenauer-literatur.com