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INTERVIEW SEBASTIAN FASTHUBER (STANDARD) MIT HANS PLATZGUMER, ANLÄSSLICH DEM TOD DER CD-RERELEASE,
Standard, Print Ausgabe 21. FEBRUAR 2008:

Sie veröffentlichen "Tod der CD!" nach über 20 Jahren noch einmal. Wie kam
es dazu?
Die Platte ist seit 1988 vergriffen. Seither wurde ich immer wieder gefragt, sie in der einen oder anderen Form neu aufzulegen. Tatsächlich wollten Labels in Amerika und Europa sie als CD veröffentlichen, was mir, obwohl ich ja provokante Dialektik schätze, dann doch witzlos erschien.
Nun endlich haben wir einen Punkt erreicht, da die CD von selber ausstirbt und meine Forderung von damals Realität geworden ist. Mit dem Zusammenbruch der Musikindustrie so wie wir sie kennen ist auch ein breites Label- und Vertriebssterben einhergegangen. Unter anderem traf der symptomatische Konkurs von ‘Hausmusik’ das mir nahestehende Feinschmeckerlabel ‘Echokammer’, das sich nun - wie so viele - rein auf Downloads verlegen muss. Es ist ein Untergang, dem ich nicht nachweinen will, sondern der wie alles Sterben einfach Platz für Neues macht. Ich will diesen Moment zur neuerlichen deutlichen Aussage nutzen und ‘Tod der CD!’ als ersten Download-only release von ‘Echokammer’ wieder veröffentlichen.
Ab 2009 habe ich übrigens vor, keine Cds mehr herauszubringen.

Was machte die CD damals aus der Sicht des jungen Musikers böse?
In dem kleinen Ausschnitt aus meinem autobiografischen Roman ‘Expedition’ auf
http://www.platzgumer.net/uploads/toddercd/index.html
ist eigentlich alles gesagt.

Schwingt heute ein wenig Genugtuung mit, dass das Ende der CD absehbar
erscheint?
Absolut, auch wenn dies ein etwas morbides Vergnügen ist. Es hat Konsequenzen für alle Schaffenden in diesem Bereich, inklusive mir selbst natürlich. Auch ich habe ja Profit mit CDs gemacht. Aber ich finde Veränderung grundsätzlich positiv und Anarchie immer spannend. Es macht dem kleinen Mann ja Spaß, zu beobachten, wenn sich sein Diktator selbst ein Bein stellt.
Das fatale Umschwenken von CD auf mp3 und selbstgebrannte CD-Rs ist ja letztendlich eine selbstständige, freie Entwicklung, deshalb kann man dafür auch keinen Schuldigen ausmachen. Es ist einfach der Gang der Dinge. Die Einführung der Compact Disc in den 80ern war im Gegensatz dazu ein Akt, der uns von profitgierigen Unternehmen aufgezwungen wurde. Kein Käufer wurde gefragt, ob er das überhaupt will. Plötzlich wurden Musikprodukte billiger hergestellt und teurer verkauft und vorallem das gesamte Repertoire der Musikgeschichte unter dem Deckmantel ‘Digitally Remastered’ noch einmal verscherbelt. Bei diesen Gewinnspannen war es kein Wunder, dass die Musikindustrie so geil auf die CD war. Das ist verständlich. Und verständlich ist jetzt auch, wenn das Mitleid fehlt.

Hat sich die Digitalisierung für die Musikindustrie am Ende als Pferdefuß
erwiesen?
Offensichtlich ja. Die Digitalisierung der Musikmedien und der darauffolgende Umbruch in der Musikindustrie ist eine wunderbare Metapher. Durch blinde Profitgier trieb sich ein Wirtschaftszweig selbst in die Sackgasse. (Hoffentlich ergeht es uns in lebenswichtigeren Bereichen nicht eines Tages ähnlich.)
Soweit konnte wohl niemand denken, und hätte man es gekonnt, hätte man wohl trotzdem das selbe getan, denn der Einstieg in die Digitalisierung brachte ja zwei äußerst lukrative Jahrzehnte mit sich. Nun sind die Mittel aber demokratisiert. Das ließ sich nicht verhindern. Jetzt geht es rund, und es ist interessant zu beobachten, wo uns das alles noch hinführt.

Damals gab es "Tod der CD!" nur als Vinylschallplatte, jetzt erscheint es
als MP3-Download. Warum als Download? Wäre nicht "Tod den MP3s!" der
nächste Schritt gewesen?
Das ist ein grundlegendes Missverständnis: der CD wünschte ich 1987 den Tod, weil sie uns von oben aus rein marktstrategischen Überlegungen aufgedrückt worden ist. Bei solcher Entmündigung muss man als denkender Mensch ja rebellieren. Die mp3 hingegen ist in völlig anderer Art und Weise in unser Leben getreten. Als das Fraunhofer Institut diese Datenkomprimierungstechnik entwickelte, ging es nicht um die Zerstörung der Musikindustrie oder die Ausbeutung der Konsumenten. An letztendlichem Nutzen oder Fluch für die Musikindustrie verschwendete man wohl keinen Gedanken in diesem Forschungsfeld. Es war einfach ein technischer Fortschritt, der sich dann verselbstständigte und dorthin führte, wo es für manche günstig und für andere ungünstig ist.
Ich möchte übrigens betonen, dass ich die Entwicklung der CD-Rom oder DVD als Speichermedium als große Erleichterung empfand.
Auch verwende ich natürlich selber andauernd mp3s, selbst wenn ich sie klangästhetisch grauenhaft finde. Es wundert mich, dass den Hörern derartige Sound-einschränkungen so egal sein können. Doch ich wünsche ihr nicht explizit den Tod. Bald wird sie ohnehin von besseren Methoden der Audio-Komprimierung verdrängt sein. Ich selbst verwende zB inzwischen meist ogg-files.
Es geht um die Sinnhaftigkeit: die mp3 oder CD-Roms u.ä. als Symbol für Freiheit, die Compact Disc als Symbol für Unterdrückung.
Eine Hegemonie, die ausgesessen ist. Wenn ich also 2008 die ‘Tod der CD!’ als Download-Album wiederveröffentliche, dann ist das kein Aufruf zu einer Revolution sondern eine trockene Feststellung: Die CD stirbt aus. Leute, es ist vollbracht.

Und die Gewissensfrage: Wieviele CDs befinden sich in Ihrer Sammlung?
Viele. Fast gleichviele wie Schallplatten oder mp3s.
CDs haben im Vergleich zum Vinyl ja auch gewisse Vorteile. Lps sehen zwar besser aus und klingen besser, aber CDs sind handlicher und gelten als ein wenig robuster. Mp3-player wiederum sind noch praktischer und ihr vom Verpackungsdesign gelöster Musikkonsum ist deutlich billiger. Da bleiben für die CD nicht mehr viele Pluspunkte, die sie beim Konsumenten im Gegensatz zu anderen Medien gut dastehen lassen. Deshalb kann sie sich auf Dauer auch nicht halten.



INTERVIEW PROSANOVA FESTIVAL/Victor Kümel mit HANS PLATZGUMER, Hildesheim 2008:
link

Sie verstehen sich selbst als Underground-Musiker, was Ihnen mehr zu bedeuten scheint, als eine vage Einordnung Ihres künstlerischen Schaffens, sondern vielmehr eine generelle Haltung, eine Lebenseinstellung benennt. In Zeiten, in denen "Underground" als Etikett paradoxerweise verkaufsfördernd geworden ist: Was bedeutet für Sie Underground, welche Ideale sind damit verbunden, und wie äußern sie sich in letzter Konsequenz auch in Ihrer Lebensführung als Künstler?

Der Begriff ‚Underground’ steht im popmusikalischen Kontext für keinen musikalisch definierten Stil. Auch ‚Independent’ war kein bloß musikalisch definiertes Genre, bevor es mit dem Ausverkauf von Grunge in den 90ern zu ‚Indie’ oder ‚Alternative’ und einem Verkaufsschlager wurde, mit dem sich Millionen scheffeln ließen. Aber glücklicherweise ist das Modell ‚Untergrund’ allgemeiner gehalten und musste bislang in der skrupellosen Ausschlachtung der Kommerzapparate nicht soviel hinnehmen wie das Schlagwort der ‚Unabhängigkeit’. Es ist für mich noch immer dienlich bei der Beschreibung einer grundsätzlichen Einstellung zu den kapitalistisch ausgerichteten Strukturen der Musikindustrie. ‚Underground’ steht für mich nach wie vor für Integrität und für eine Verweigerungshaltung gegenüber der Kommerzialisierung von Kunst. Ich verwende es als ehrlich gemeinte Alternative zum ‚Mainstream’ (=Overground), also als Modell, das die Freiheit der Kunst über ihre Massenkompatibilität stellt. Man kann auch ‚Punk’ dazu sagen, aber ich finde diesen Begriff überstrapaziert, vorallem auch weil er eine bestimmte Musikrichtung suggeriert. ‚Underground’ bedeutet für mich nicht, ausschließlich bewusst ‚undergroundige’ Nischenmucke zu machen, die sich kein Mensch außer ein paar Insidern anhören kann. Wenn man - wie ich selbst manchmal in überraschenden Momenten - aus einer Underground-Ideologie heraus auch kommerzielle Erfolge feiert, dann ist das ein angenehmer Nebeneffekt und kein Verrat. Solange freilich bloß, bis einen dieser kommerzielle Erfolg in seinen Fundamenten zu erschüttern beginnt. Man sieht meist schnell in den Nachfolgewerken von Künstlern mit Überraschungserfolgen in wie weit der Erfolg ihre grundsätzliche Einstellung verändert hat, in wie weit sie also ihre Seele verkauften und nichts mit Underground zu tun haben.
Auch wenn ich persönlich heute schon über zwei Jahrzehnte von meiner Kunst gut leben kann und oft bereits die Grenze zur sogenannten Hochkultur überschreite, dann sehe ich mich immer noch als ‚Underground’ Künstler, denn ich mache was ich will und entscheide rein aus künstlerischen Motiven, was ich produziere und was nicht. Man kann künstlerisch von mir halten was man will, aber zumindest bin ich ein lebender Beweis dafür, dass ein Gegenmodell zu den üblichen Kommerzialisierungsprinzipien der Musikindustrie auch auf Dauer funktionieren kann.

Wie stehen Sie  dem Phänomen Pop-Literatur gegenüber - Als Musiker, als Autor? Sind Pop und Underground Gegensätze?

Ich finde das Genre ‚Popliteratur’ heute an sich uninteressant und ein Relikt vergangener Tage, so wichtig und spannend es in seinen Ursprüngen in den USA oder auch in den 60ern in Deutschland oder bei seiner Rennaisance in den 90ern gewesen sein mag. In der Musikszene würde sich ja heute auch niemand mehr als ‚Independent’ oder ‚Trip Hop’ bezeichnen. Das sind Strömungen, die einen Auftrag erfüllen, eine gewisse Zeit lang eine gewisse Bedeutung haben, doch dann müssen sie sich weiterentwickeln. ‚Popliteratur’ hatte den wichtigen Dienst zu tun, den elitären Zirkel der literarischen Hochkultur aufzubrechen und Literatur zurück ins Alltagsleben zu transferieren, indem sie sie umgangssprachlicher macht und nahe an das Zeitgeschehen rückt. Das war gut. Mission erfüllt. Aber mittlerweile verbinde ich mit diesem Etikett nur mehr seichte Belletristik für jung-bleiben-wollende Menschen, die gerne das Feuilleton lesen und sich gut als Zielgruppe eignen.
Charlotte Roches ‚Feuchtgebiete’ ist wahrscheinlich der Inbegriff von Popliteratur 2008. Zumindest wenn man den Ausdruck ‚Popliteratur’ semantisch anstatt geschichtlich betrachtet. So ein Genre interessiert mich dann nicht mehr. Da würde ich auch den Anhang ‚-Literatur’ streichen. Das ist ‚Pop’. Und wenn Pop von Populär kommt, dann sind Pop und Underground Gegensätze und sollen das auch bleiben. Dann heißt Pop nämlich einfach, dass eine künstlerische Arbeit von jedem verstanden und somit an Massen verscherbelt werden kann. Charlotte Roche finde ich zB wirklich das Gegenteil von ‚Underground’, egal, wieviel ihr Buch letztendlich verkauft hätte. Das ist genau der konträre Ansatz, denn da werden kluge Vermarktungsstrategien von vorn herein über Inhalte gestellt, Verkaufspotential über Qualität, Schein über Sein. Im ‚Underground’ sollte das genau andersrum funktionieren.

Ihr erklärtes Credo ist die ständige Innovation. Können Sie für sich sagen: was bedeutet für Sie Innovation, innerhalb ihres Schaffens? Wie fühlt sie sich an? Und, Stichwort "Beschleunigung der Gesellschaft": Haben sie eher das Gefühl, dass ständige Innovation eine Notwendigkeit ist, um überhaupt Schritt zu halten, "mithalten zu können" - oder haben Sie in solchen Momenten des Durchbruchs durchaus das Gefühl "Ihrer Zeit voraus zu sein"?

Künstlerische Innovation ist mit dem ständigen Innovationszwang von zB Herstellern elektronischer Geräte verwandt, im Bereich der elektronischen Musik hängt sie auch direkt mit diesem zusammen, aber sie ist nicht dassselbe. Dass jede Software und jedes Handy alle paar Wochen ein neues Update aufgedrückt bekommen, finde ich ziemlich unsinnig, aber das sind eben die Mechanismen gewisser Branchen, die sich scheinbar nur durch solche Hyperaktivität behaupten können. Ihre Motivationen sind mit dem inneren Innovationstrieb eines Künstlers nicht direkt zu vergleichen und noch viel weniger mit den Vermarktungsstrategien der Musikindustrie. Bei der Vermarktung eines Künstlers ist im Gegensatz zur Vermarktung eines neuen elektronischen Gerätes eine Innovation ja sogar deutlich unerwünscht. Da geht es vielmehr darum ein Trademark zu erhalten, festzuhalten an einem eingeführten Muster. Besonders in Deutschland fällt mir das auf. Da ist Kunst eigentlich immer nur kommerziell erfolgreich, wenn sie sich bereits bewährt hat und in einem gewissen künstlerischen Stadium festgefahren ist. Nur dann lässt sie sich offensichtlich gewinnbringend ausschlachten. Nur so scheint sie massentauglich zu funktionieren. Dass jemand unpopulärer wird, weil er sich ständig wiederholt, gibt es praktisch nicht. Stagnation ist in der Musikindustrie gewollt und wird positiv als ‚Verlässlichkeit’ beschrieben. Der schnelllebigen Konsumgesellschaft offeriert man also Inseln, wo die künstlerische Weiterentwicklung stehen zu bleiben hat und der Konsument bekommt, was er erwartet.
Im Bereich der Medientechnologien wiederum geht es bei Innovation weniger um das Vertrauen auf Herkömmliches als die Sehnsucht nach immer Neuem. Technologiekonzerne müssen die Konsumenten ständig daran erinnern, dass sie etwas Neues, Besseres, Geileres brauchen. Das führt dazu, dass wir uns ständig mit halbfertigen Technologien herumschlagen müssen, bevor die alten überhaupt ausgeschöpft und die neuen solide und gründlich entwickelt sind. Wir leben eigentlich nur mehr in einer Welt der Beta-Versionen. Jeder neue Laptop, den ich dann auch bald verwenden muss, weil er die alte Norm verdrängt, ist nur parziell besser und hat erstmal mindestens soviele Nachteile wie Vorteile, mit denen ich mich abfinden muss. Und sobald sich dieser Schwebezustand halbwegs eingependelt hat, ist schon wieder das neue Modell am Markt.
Die Suche eines Künstlers nach Innovation und Erneuerung ist vielmehr ein innerer, natürlicher, leidenschaftlicher Vorgang, der seinem eigenen Rhythmus folgt. Mir hilft dieser Prozess, meine Begeisterung für Musik oder anderen Kunstrichtungen frisch zu halten. Die Suche nach Neuem entsteht aus Neugier und Abenteuerlust  sowie einer Lust am Forschen. Sie ist mit dem Verweigern von Marktmechanismen verbunden und entspricht nicht dem ökonomischen Zwang am Erneuern, dem zB Elektronikkonzerne ausgeliefert sind. Ich gebe mich zwar wie die freie Marktwirtschaft nicht mit dem Erreichten und einem Stagnieren zufrieden, suche wie sie nach neuen Ausdrucksformen und Erweiterungen. Aber ich mache dies in keiner erzwungenen Regelmäßigkeit und ohne kommerziellen Hintergedanken. Im Gegenteil: Veränderung schadet ja sogar meiner künstlerischen Vermarktung! Die Veränderung in meinem Schaffen ist, wann immer sie geschieht, das Produkt eines gemischt intuitiven und reflektierten Prozesses in meiner künstlerischen Arbeit. Ich überdenke bisher Erreichtes und halte Ausschau nach neuen Wegen und Einflüssen, teils rein aus Begierde, teils aus dem Verständnis der Innovation als künstlerische Überlebenstaktik. Ich möchte mich und mein Erreichtes nicht selbst zu Tode tragen, möchte nicht in Langeweile ergrauen. Ich versuche oft auch bewusst naiver zu sein als ich tatsächlich bin, denn eine gesunde Naivität im künstlerischen Prozess finde ich sehr wichtig. Es lohnt sich, sich diese immer wieder zu erkämpfen, sie frei zu schaufeln, weil sie der Abgebrühtheit entgegenwirkt. Ich stelle somit mein Schaffen immer wieder in Frage und gebe mir die Chance, quasi ‚from scratch’, von vorne neu zu beginnen. Was natürlich nie ein reiner Neubeginn sein kann und soll, denn man lernt ja aus jeder Arbeit und bewahrt das Erlernte hoffentlich auch irgendwo auf, lernt Techniken an anderen Stellen wieder einzusetzen. Im nächsten Schritt dann bringe ich mich selbst zum De-Bugging meiner neuen Entwicklungen, zum Überdenken meines Schaffenprozesses, dem Vergleichen von Zielsetzungen mit Ergebnissen, von Altem mit Neuem, der Qualitätseinschätzung. Ich versuche es zu vermeiden, Produkte der Zwischenstadien zu veröffentlichen. So etwas will ich den Technologiekonzernen nicht nachmachen. Mein Vorteil ihnen gegenüber ist: Als Künstler lebe ich in einer Parallelwelt, in der auch der Zeitpfeil nicht wie in der Unterhaltungselektronik ein stur nach vorne gerichteter sein muss. Deshalb kann ich auch meiner Zeit voraus sein oder auch mal 20 Jahre hinterher (was wiederum oft dasselbe ist). Als freier Künstler unterliege ich keinem linearen Zeitfluss. Ich kann mich zurückdrehen, wenn ich will. Wenn ich es künstlerisch als notwendig empfinde zB retrospektiv arbeiten. Oder ich kann mich im Kreis drehen und die Zeit anhalten, wenn ich will. Das alles kann ich natürlich nur solange ich mir die Freiheit erhalten habe, zu machen was und wann ich es will. Und damit sind wir wieder bei der ‚Underground’-Definition von vorhin. Habe ich mich auf ein System eingelassen, wo ich standardisierte Leistungen erbringen und Erwartungshaltungen erfüllen muss, dann sitze ich wohl oder übel angebunden im Expresszug, rausche geradeaus nach vorne, darf mich gleich wie die Technologiemärkte bloß in die eine Richtung bewegen und muss in regelmäßigen Abständen Produkte abwerfen, egal wie sinnvoll die nun sind. Bin ich frei, bin ich ‚Underground’, unabhängig, wie immer man es nennen will, dann kann ich mich in meiner Parallelwelt frei bewegen, nach vor und zurück, mal hinauf in den Mainstream oder hinunter in die Spezialisten-Nische. Dann kann ich überall meine Erfahrungen sammeln. Und wann und wie immer ich will die Produkte meiner Arbeit in die Welt setzen, die Zeugnis davon ablegen.

U-Mag, Matthias Wagner, Jan 09 (on "Soundtrack"):
Herr Platzgumer, 1987, als die CD gerade erst erfunden war, haben Sie schon deren Tod proklamiert. Das muss damals sehr weltfremd geklungen haben. Das Medium trat ja gerade einen überwältigenden Siegeszug an.
Das Medium wurde damals den Konsumenten von der Musikindustrie, vorallem Sony, regelrecht aufgezwungen, mit blick auf die riesigen Gewinne, die sich mit dieser digitalisierung der musik machen ließen. man konnte ja die gesamte musikgeschichte noch einmal verkaufen, dann 'digitally remastern' und nochmal an den mann bringen, und auch alle neuen veröffentlichungen billiger, rascher herstellen, günstiger vermarkten und teurer verscherbeln. Vom ästethischen Sinn war es ein Rückschritt - rein praktische und ökonomische Gründe führten zur einführung der cd. Da war ich sicher nicht der einzige, dessen weltanschauung das widersprach. Überhaupt war ich 17 und überzeugt davon, dass ich die welt ändern könnte. mein 'Klub der vereinten CD-Feinde' brachte es aber leider nur auf 23 Mitglieder, und irgendwann musste ich selber CDs veröffentlichen. Doch nach ca 2 Jahrzehnten hat sich die digitale Katze in den eigenen Schwanz gebissen und ich habe sie überlebt. ein passender, weiterführender link dazu : http://www.platzgumer.net/uploads/toddercd/index.html
Mit ihrem aktuellen Album verabschieden Sie sich nun ausdrücklich und endgültig von der CD – und liefern doch noch mal gewichtige Argumente: Schuberpappe, dickes Booklet zum Blättern. Warum sagen Sie ade zu etwas so Tollem wie dem Haut- und Tastsinn?
Wenn man etwas macht, dann muss man es richtig machen. Ich hasse halbe sachen, wie diese lieblosen CD-produktionen, die millionenfach auf den markt geschmissen wurden, und die mitunter schuld sind, warum die cd zu grabe getragen wird. Mir geht es um ein Gesamtprodukt (um den ausdruck Gesamtkunstwerk zu vermeiden), wo Inhalt, Musik, Verpackung eine schlüssige Einheit bilden. Dann freut sich der Haptiker und der Ästhet in uns. Bei 99% der CDs in den regalen ist/war das nicht so. Und wenn mir eine CD nichts bietet außer 1,2 gelungen Songs, dann lade ich die auch lieber irgendwo runter. Ich mochte die CD als Medium nie besonders, einfach weil sie hässlich, man könnte sagen unsexy ist, aber trotzdem kann man damit - wie mit allen vorgaben und einschränkungen - arbeiten und etwas anständiges draus machen. Alle meine CD Covers waren außergewöhnlich - oft von tollen designern gestaltet und preisgekrönt - und präsentierten die Musik in bestmöglichem Licht. Da scheute ich keine Kosten und Mühen. Und selbstverständlich wollte ich auch auf meiner letzten CD-Produktion nochmal alles geben, was man mit diesem Format anfangen kann. So entstand ein Produkt, das (zum letzten mal) genau auf die möglichkeiten der CompactDisc zugeschnitten ist: ein track - knapp 70 minuten - mit verschiedenen IDs und 23 von Künstlern entworfene artworks in CD-normgröße, perforiert in einem extrabooklet zur persönlichen auswahl des Hörers beigelegt. Ein letztes mal noch genau auf die Vorteile und Maße des Mediums eingehen, bevor man sich anderen Medium zuwendet. wer sich diese cd runterlädt, ist selber schuld, der hat nicht verstanden, worum es geht. in ergänzung zur CD gibt es übrigens auch eine eigene website: www.platzgumer.net/soundtrack
Während die CD allmählich ausstirbt, erlebt audiophiles und luxuriös verpacktes Vinyl eine Renaissance. Wie passt das zusammen?
Das liegt an dem oben erwähnten haptischen, ästhetischen Trieb in uns. Wer etwas kauft, will es haben, zeigen, anschauen, anfassen können, in sein Regal stellen. Und in der Beziehung konnte die CD nie dem LP-Format das Wasser reichen, deshalb wird Vinyl sie auch überdauern. Die CD war immer bloß praktischer - somit auch billiger und wertloser. Diesbezüglich haben ihr einfach neue digitale Medien den Rang abgelaufen. Downloads, Ipods, Usb-Sticks sind noch deutlich praktischer, und billiger!, da wird sich niemand mehr lange mit CDs aufhalten. Warum auch? doch für eine große, schöne, fette, glänzende, warm klingende, charismatische LP hat sich bislang noch kein ersatz gefunden.
Steckt in uns vielleicht doch das tiefe evolutionäre Bedürfnis, etwas anfassen zu müssen, um uns seiner Existenz zu vergewissern?
Das habe ich in punkt 3 eigentlich schon beantwortet. Überhaupt ist der Mensch ein Gewohnheitstier. Leute, die mit LPs aufwuchsen, hängen daran. Die CD-Generation klammert sich vielleicht ebenso noch ein wenig an die CD fest. Moderne Menschen, die Musik nur als Downloads kennen, werden höchstens das bedürfnis haben, sie anzugreifen, wenn sie nostalgisch veranlagt oder an revivals interessiert sind. Ich zB freu mich wenn ich meine 'St.Peppers' LP aus dem Regal hole. 'A Day in The Life' hör ich mir dann aber trotzdem vom computer an.
Was wäre Ihr Ideal des Musikkonsums – eine direkte drahtlose Einspeisung ins Gehirn?
Das klingt ja grauenhaft! Mein Ideal wäre eher das gegenteil: weniger Musikkonsum. Man sollte wieder erlernen, Musik wertzuschätzen, genauer zu hören und zu begreifen. und das funktioniert am ehesten, wenn man sich ein bisschen anstrengen muss, um sie zu bekommen. was man sich selbst erarbeitet, schätzt man mehr, als das, was man geschenkt bekommt. Dann könnte die musik, die man hört, auch wieder einen längerfristigen Eindruck hinterlassen und ertrinkt nicht im stream der nebensächlichkeiten. leider geht es nach wie vor in genau die andere richtung. durch die demokratisierung der mittel gibt es immer mehr und mehr musik, überall, dauernd, kostenlos. das ist die gefahr der neuen medien, die es einem allzu leicht machen, zu Musik zu kommen. man muss nichts mehr dafür tun, nur mehr irgendwo hinklicken, schon hört man (vielleicht in erbärmlicher tonqualität), nach ein paar sekunden klickt man wieder und hört etwas anderes und so weiter, man weiß gar nicht mehr, was man gehört hat, geschweige wie und wo es entstanden ist. Leider ist das so, machen das alle so, auch ich. das ist ein schlammassel, wo ich nicht weiß, wie wir wieder rauskommen. Es wird uns alles zu einfach gemacht. da fände ich besser: nur mehr bootlegs, limitierte auflagen, wo man sich anstrengen muss, ranzukommen und dann auch stolz ist, etwas gefunden zu haben, das einen persönlichen längerfristigen wert besitzt.
Wie wird sich eine Kultur verändern, die keine Trägermedien mehr braucht? Und wie werden wir uns verändern?
Siehe Punkt 5. wenn uns alles nur überall angeboten und eingespeist wird, dann leidet unsere wertschätzung und in folge die Qualität des Produktes zusehens, weil es in sich selber keinen wert mehr erkennt bzw sich ein großer aufwand nicht mehr rechtfertigt. Dann steckt man in der Mittelmäßigkeit fest und Musik ist ein Wegwerfprodukt geworden. Den meisten Konsumenten geht es heute darum, möglichst viele tausend songs auf ihrem mp3-player zu haben, da nehmen sie auch eine schlechte tonqualität dafür in kauf, hauptsache viel - mehr als ihre kollegen - und möglichst wenig dafür bezahlt zu haben, im besten fall: nichts. So sieht es aus in unserer schnäppchenjäger-gesellschaft, und ich sehe nicht, wie die breite masse diesen pfad wieder verlassen könnte. Im gegensatz dazu werden aber immer inseln der andersartigkeit existieren, oasen, cliquen, otakus, gruppierungen von gleichgesinnten nerds oder musik-afficionados, die sich daran erfreuen, einen anderen weg zu gehen. Und tatsächlich, solche leute retten die musik, nicht unbedingt geschäftlich, denn dazu sind es einfach zu wenige (auch wenn zB sich die Vinylverkäufe halten, ist damit ja nicht gerade geld zu scheffeln), aber sie unterstützen moralisch die Musiker, motivieren sie und geben ihrem Tun einen Sinn.

CONVERTIBLE – SKUG / Dez 07
VON DIDI NEIDHART

Musik als Idee von Musik:
Auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen. Mit der dritten Convertible-CD vollzieht Hans Platzgumer keine endgültige Abkehr von der Elektronik. Er hat nur zusammen mit Drummer Thomas Wühr und Bassistin Polina Lapkovskaya (beide u.a. auch in der Münchener Ausnahmeband Kamerakino tätig) einer gemeinsamen Liebe zu Pop und Psychedelic erneut jenen Freilauf gelassen, den Musik generell braucht, um sich weiter zu drehen.

In vielen Interviews sprichst du von »Convertible 3« als deinem »White Album«. Jetzt würden mir allein auf Grundlage des akustischen Materials die Fab Four aber gar nicht als mögliche Referenz einfallen. Mir kommen eher Westcoast-Assoziationen in den Sinn. Auch erinnert einiges an beinahe archetypischen 1970er Trio-Rock oder schweinöse Led Zeppelin-Praktiken. Andererseits lassen die Streicher- und Chor-Passagen wiederum an Acts wie Stereolab denken. Ging es vielleicht weniger um die Musik der Beatles, als um die Beatles, gelesen als Verdichtung einer spezifischen Idee von Musik?

Hans Platzgumer: Ich sage das mit dem »White Album« gerne als plakatives Statement. Es geht nicht um die Musik an sich, sondern um eine Idee von Popmusik als Ausdruck größtmöglicher Freiheit. Das »White Album« steht für mich für ein gewisses Konzept und eine popmusikalische Epoche, die mir für »C3« der wichtigste Pate war. Da wurde das gemacht, was mir normalerweise immer vorgeworfen wird: zu große Vielfalt. So was ist heute einfach nicht mehr erlaubt. Da beschwert sich sofort die Geschmackspolizei und bestraft das irrtümlich als »Kraut und Rüben«. Und natürlich – voraussehbar und langweilig – wird das in Kritiken auch bemängelt. Was mich aber eher freut als ärgert. Aber der noch direktere Pate war eigentlich das ebenfalls 1967 in den Abbey Roads-Studios aufgenommene »Odessey And Oracle« von den Zombies.

»C3« versteht sich als Band-Album. Einigen Songs ist das mit ihrem Live-Jam-Charakter direkt eingeschrieben. Wie wichtig ist diese Trio-Konstellation bzw. was hat sich dadurch geändert?

»C3« heißt »3« nicht nur, weil es das dritte Convertible-Album ist, sondern weil auch klar gemacht werden sollte, dass hier nicht eine Art Solo-Album entstanden ist, sondern es in dieser Form nur möglich wurde, weil hier drei Menschen zusammen musiziert und konspiriert haben.
Da kamen plötzlich andere Sachen in den Vordergrund und es entstanden ganz neue musikalische Momente, die vorher unmöglich gewesen wären. Polly und Tom haben Fähigkeiten und Ideen, die ich nicht hätte – teils auch mit einem akademischen Wissen, das ich nicht besitze. Da ist auch noch viel drin und ich freue mich auf mehr.

»Psychedelic« ist weiters Stichwort, das im Zusammenhang mit »C3« öfters genannt wird. Interessanterweise hat sich das vor allem bei den verfremdeten Vocals niedergeschlagen. Auch würde ich dem Gesang grundsätzlich ein neues Level, eine neue Intensität attestieren. Da ist plötzlich etwas Überdrehtes, Spitzbübisches, ein Spaß mit von der Partie, was mir zuvor bei Convertible nicht so ins Ohr gestochen ist.

Psychedelic ist mir seit jeher wichtig. Bands wie Spacemen 3 und Loop waren in den 1980ern bedeutend für mich. Bei »C3« ging es auch viel um »Drones«. Und ja, das Singen hat bei »C3« ein neues Niveau erreicht. Einerseits durch die vielen Backing-Vocals und Harmoniegesänge von Polly und Tom, andererseits dadurch, dass ich mich (auch dadurch) als Lead Vocalist richtig austoben konnte. Jetzt singe ich seit 20 Jahren, aber erst jetzt ging mir endlich der Knopf auf. Leider verdammt spät, aber immerhin. Viel ist da von Queen Of Japan rübergeflossen, wo ich hinter der Gag-Maskerade schon seit längerer Zeit wagte, expressiv und überkandidelt zu singen. Wichtig war aber auch die Arbeit mit den Streichinstrumenten. Wenn du dich in ein Streicher-Arrangement als Sänger hineinlegen musst bzw. darfst, dann ist das der Moment, wo der Indie-Hans dann endlich die Schule von Dinosaur Jr. und Konsorten zu verlassen hat.

INTERVIEW-FEATURE: HANS PLATZGUMER: Soundtrack
Albrecht Piltz, KEYS Musik, feb 09

Wenn man sich deine vielen Aktionsfelder anschaut, stellt sich die erste Frage von selbst: Gibt es eine Kunstform, die Hans Platzgumer überhaupt nicht interessiert?
Platzgumer: Du meinst eine Kunstform, die ich mir selbst nicht zutraue? Da gibt es viele, sehr viele. Architektur zum Beispiel. Niemand möchte ein Haus haben, das ich entworfen habe. Oder Lyrikbände. Das kann ich nicht. Oder Tanz. Balletchoreographien. Auch in der Bildenden Kunst traue ich mir nichts zu. Ich habe zwar einmal im Pudel Klub in Hamburg eine Ausstellung gemacht, die war aber erbärmlich. Eigentlich ist es ganz einfach: ich bin Musiker, Komponist, Produzent und Schriftsteller. Viel mehr habe ich generell nicht drauf. (lacht)

Dein erstes Album trug 1987 den Titel "Tod der CD!". Es sah wie eine Forderung aus. War sie ernst gemeint?
Platzgumer: Ja, das habe ich damals schon ernst gemeint. Ich war gerade 17 und richtig Punk und wollte eine Revolution. Ich habe es gehasst, wie die CD eingeführt worden ist. Sie war mein Feindbild.

Dann war es von dir also keine Prophezeiung, dass die CD sterben wird, sondern eher die Forderung, Vinyl soll bleiben?
Platzgumer: Ich könnte angeben und sagen, es war eine Prophezeiung. Aber "Tod der CD!" war für mich damals die Aufforderung, auf die Barrikaden zu gehen und gegen die CD anzukämpfen. Es ist natürlich schön, dass man heute den Titel auch anders lesen und mich als vorausblickenden Menschen erkennen kann, der den Tod der CD vorhersah…

"Soundtrack" wird das letzte Album sein, das du auf CD veröffentlichst. Warum?
Platzgumer: Ich mag nicht der Letzte sein, der mit diesem sinkenden Kahn untergeht. Es ist höchste Zeit abzuspringen. Überhaupt mag ich konkrete, klare Konzepte. Und ich finde es auch immer gut, wenn sich Sachen weiterentwickeln. Und es ist ja schon seit Jahren immer sinnloser geworden, CDs zu produzieren. Da ich das Medium sowieso nie besonders gern gemocht habe, freue ich mich, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen und festzustellen, dass ich bis 2009 notgedrungen auch CDs produziert habe, aber mich in Zukunft nur mehr neuen Medien beziehungsweise Vinyl und Downloads widme.

Vinyl ist auch mal totgesagt worden, und es ist immer noch da.
Platzgumer: Von mir ist Vinyl nie totgesagt worden! Da ich aber kein echter Prophet sondern ein Scharlatan bin, kann es gut sein, dass ich nicht Recht habe und die CD doch nicht ganz ausstirbt. Aber das glaube ich nicht, denn im Gegensatz zum Vinyl hat sie viel weniger eigenständige Vorteile. Der Hauptvorteil der CD war eigentlich nur, dass sie praktischer war als die Platten. Und es hat geheißen, die CD sei unzerstörbar und hält ewig - was natürlich überhaupt nicht stimmt. Der Hauptgrund, weswegen sie eingeführt worden ist, war, dass sie klein ist, billiger zum Herstellen und teurer zum Verkaufen. Inzwischen gibt es aber so viele Medien, die noch viel praktischer sind. Jeder Download sticht in Sachen Effizienz die CD aus - vor allem, wenn durch Lossies die Klangqualität verbessert wird und wir diese Drecks-Mp3-Datenreduktion nicht mehr brauchen. Als Speichermedium ist die CD sowieso lächerlich, wenn man bedenkt, wie wenig darauf Platz hat. Wenn man nur mal im digitalen Bereich bleibt, von mir aus auch im physischen, mache ich lieber USB-Sticks oder SD-Memory-Cards. Da passt mehr drauf, und man kann eine viel bessere Soundqualität als mit einer CD abliefern. Oder man bleibt überhaupt im virtuellen Bereich und macht alles nur noch als Downloads, das fände ich gar nicht schlecht. Und Vinyl ist in dem Bereich, in dem Vinyl gut ist, auch nicht zu schlagen. Es sieht gut aus, fühlt sich gut an, und es klingt vor allem besser. Deswegen ist Vinyl für mich nach wie vor mit seinen spezifischen Vorteilen ohne echte Konkurrenz. Für Vinyl gibt es keinen Ersatz, für CD hingegen massenweise.

Was bedeutet es deiner Ansicht nach für das Konzept des Künstleralbums, wenn Musik nur noch als Download erhältlich ist und zum Beispiel auf iTunes vor allem Single-Tracks gefragt sind?
Platzgumer: Es hat leider zur Folge, dass das dieses “Album” ausstirbt. Man muss es wohl als eine Modeerscheinung betrachten, die sich ein paar Jahrzehnte gehalten hat. Ich bin ja auch selber sehr am Konzeptalbum gehangen und habe mich erst in den letzten Jahren wehmütig davon zu verabschieden gelernt. Deswegen ist jetzt auch das "Soundtrack"-Album noch mal ein richtig großes Konzeptalbum geworden; mit den 23 verschiedenen Artworks ist es ein in sich geschlossenes Konzept und Kunstteil. Aber mit der Download-Kultur stirbt so etwas natürlich aus. Dann haben wir wieder so einen Singles-Markt, wie in den 50s/60s. Und ‘Bundles’, die irgendwie das Album ersetzen, auch wenn sie eher als Compilations zu verstehen sind.

Wie hast du vor, auf diese Entwicklung zu reagieren?
Platzgumer: Ich denke auch alle meine zukünftigen Releases eher als Singles an. Meine nächste Platte, die im Herbst rauskommt, wird eine 7-inch-Single sein - und Download natürlich. Dann planen wir auch, ein neues Label mit 12-inch-Maxis zu machen, Einzelsongs, Tracks, Remixes, Compilations. Alle meine nächsten musikalischen Vorhaben gehen also in Richtung Single-Format und weg vom großen Konzeptalbum, was jahrelang meine Lieblingsspielwiese war. Deswegen habe ich mich mit "Soundtrack" jetzt noch mal richtig ausgetobt.

Und was bedeutet die Perspektive, dass Downloads die physischen Tonträger ablösen werden, für die Soundqualität von Tracks? Lohnt es sich angesichts der breiten Akzeptanz teilweise extrem komprimierter Mp3s noch, bei einer Produktion Hi-Fi- oder gar High-End-Qualität anzustreben?
Platzgumer: Das liegt natürlich an der Haltung der Endverbraucher. Einem Großteil der Konsumenten ist es leider - da hast du völlig Recht - scheißegal, wie Sachen klingen. Viele hören Musik ja sogar ernsthaft auf Handys! Wenn ich diesen Markt bedienen will, kann ich gleich ohne Bässe und in Mono produzieren. (Ganz reizvoll, aber auf Dauer nicht das Wahre). Zum Glück gibt es aber auch heutzutage Leute, die sich Musik richtig hören wollen. Und das Downloading verbessert sich mit jedem Monat, wo neue Techniken der Datenkomprimierung auf den Markt kommen, neue Lossless-Files, die immer geringere Datenmengen ohne wirklichen Soundverlust ermöglichen. Mit FLAC oder Ogg zum Beispiel kann man extrem gut arbeiten, zum Beispiel. Nur Mp3 hasse ich wirklich. Dieser Sound ist eine Qual. Komischerweise klingen Mp3s auch umso schlechter, je höher man sie auflöst. Ein 128er-Mp3 klingt immer noch besser als ein 192er. Ich weiß nicht, warum. Theoretisch müssten 192er besser aufgelöst sein, aber tatsächlich klingt es, wie wenn seine Bestandteile auseinander gezerrt werden, wie wenn sich Vakuum zwischen die Tönen schiebt und den Klang zerbröselt. Mp3 ist eine nützliche Erfindung, um schnell Audiodaten auszutauschen, aber für eine Endveröffentlichung kommt Mp3 für mich nicht in Frage. Wenn die Files zu groß für einen Download sind, dann halt USB-Sticks oder sonstwelche Memory-Cards!

Obwohl bei USB-Sticks die haptische Qualität fast ganz verloren geht.
Platzgumer: Im Vergleich zu einem Vinylalbum, klar! Ein Vinylalbum ist für mich, wie vorhin schon gesagt, unschlagbar und wird sich deswegen auch halten. Darum möchte ich künftig alles im Idealfall auch auf Vinyl veröffentlichen. Nicht nur, dass du es anfassen kannst, es hat auch eine andere Sound-Ästhetik. Ich lege ja als DJ viel auf, in der letzten Zeit meistens mit Laptop. (CDs habe ich eigentlich nie aufgelegt, weil sie im Club nie gut klangen). Wenn ich zwischen den tracks vom Computer dann Vinyl auflege, klingt das - gerade im Club merkt man das - immer besser als die Digital-Files, vor allem in den Bässen, tiefer, fetter, einfach fetter. Und das alte Klischee, dass Vinyl wärmer ist, stimmt einfach.

Ich habe darüber mit einem Techniker der Abbey-Road-Studios in London gesprochen. Er sagte: "Wir können es nicht messen, aber jeder, der Ohren hat, kann es hören: Vinyl klingt 'runder'."
Platzgumer: Ja, genau. (Im Abbey Road habe ich übrigens auch mehrfach Platten gemastered. Ein großer Spaß dort mit diesen distinguied Gentlemen, die die Maschinen bedienen – wie aus einer vergangenen Welt) Es ist, als ob der Sound einer LP dichter wäre und die Musik enger beieinander ist, zusammengepresst. Der "Bauch" hat einfach viel mehr Druck. Und Vinyl klingt auch schmutziger, was positiv zu verstehen ist, wie wenn Musik diesen Matsch benötige, damit sie sich wirklich entfalten kann. Vinyl fügt der Musik irgendwas dazu, verbessert sie. Digitale Medien können das nicht. Sie können nur möglichst verlustfrei übertragen, aber sie machen nichts dazu – das kann nur Vinyl.

Kommen wir zu deinem neuen Album! "Soundtrack" besteht aus zehn Tracks, die aber wie eine einzige Komposition funktionieren...
Platzgumer: Ja, es ist eigentlich ein 66-minütiges Stück, das ich nur für die CD in zehn Segmente unterteilt habe. Aber die Stücke fließen alle ineinander, für mich ist es ein durchgehender Track, arrangiert von minute null bis minute 66.

Die Stücke bestehen aus Hunderten von Sound-Files. Wie bist du an dieses Puzzle-Projekt herangegangen?
Platzgumer: Ich habe mir sehr viel Zeit gelassen und bin eigentlich fast 11 Jahre immer wieder dran gesessen. Natürlich nicht durchwegs, aber immer wieder habe ich sounds hinzugefügt und details verändert/verbessert und an der dramaturgie der musik, am handlungsbogen gearbeitet. Den habe ich niemandem verraten, auch den Künstlern nicht, die die Artworks gemacht haben, damit niemand eine vorgefertigte Meinung hat und in eine Richtung gedrängt wird. Zuerst war das Ganze 20 Minuten lang, aber im Lauf eines Jahrzehnts ist es auf 40, 50, 60 Minuten angewachsen. Irgendwann war es auch mal 80 Minuten lang, da habe ich es wieder gekürzt.
Die Handlung, die dem ‘Soundtrack’ unterliegt, werde ich erst in 23 Jahren verraten – falls es dann noch irgendjemanden interessiert.

Das Album hat keine offensichtliche "Funktion", man kann es nicht unter Clubmusik oder Listening Music einsortieren. Was wäre für dich die ideale Hörsituation?
Platzgumer: Ich finde, es ist sehr filmische Musik, darum heißt es ja auch "Soundtrack". Ideale Hörbedingung wäre für mich, wenn man das Album beim Autofahren hört. Lustigerweise habe ich es jetzt aber auch mal in einer Disco als Chillout-Musik gehört. Ich habe zuerst gedacht, oh Gott, da kommt es sicher viel zu düster rüber! Aber es hat in dieser Chillout-Area wunderbar funktioniert. Die beste Situation ist sicher, wenn man das Album so hört, wie man sich einen Film ansieht - in einer bequemen Stellung hinsetzen, Film ablaufen lassen! Darum haben wir uns auch die Sache mit den 23 stills im Booklet ausgedacht. Wir haben zuerst diese ganz schlichte schwarzweiße Verpackung gemacht, wo dem Hörer nichts vorgegeben wird, das seine eigenen Bilder in eine bestimmte Richtung drängen könnte. Dann haben wir gedacht, wenn wir schon noch mal eine CD publizieren, dann ist ein Cover, wo so gut wie nichts drauf ist, ein bisschen wenig. Dann kam die Idee, Leute vom Fach zu fragen, die sich mit dem Visualisieren von Dingen/Ideen auskennen - Bildende Künstler, Architekten, Fotografen. Sie sollten sich diesen "Film" in voller Konzentration anhören und das eine Standbild, das ihnen danach im Kopf bleibt, in ein artwork umsetzen. Das war natürlich ein riesiger Aufwand. Es hat ein, zwei Jahre gedauert, bis alle Künstler zusammen waren und ihr Standbild abgeliefert hatten.

Du hast vorhin gesagt, dass du in Zukunft eher Single-Tracks machen willst...
Platzgumer: Ja, auf jeden Fall keine so großen, langfristigen Arbeiten mehr wie dieses Album. Ich mache jetzt zwar vielleicht eine Oper oder ausgedehte Kompositionen fürs Theater etc; aber für eigenständige Veröffentlichungen denke ich eher an kurze, knappe, knallige Sachen.

Wie gehst du vor, wenn du einen Track machst?
Platzgumer: Wenn es keine Auftragsmusik wie eine Theater- oder Hörspielmusik ist, wo mir ein Text die Richtung vorgibt, und ich ganz frei eigene Musik machen kann, ist es meistens so, dass ich irgendeinen Sound habe, der in mir was auslöst und mich inspiriert. Das kann ein Sample sein oder auch nur ein Drumsound, ein Synth-Patch oder Töne von meiner akustischen Gitarre. In so einem Sound höre ich oft schon einen Rhythmus oder ein bestimmtes Tempo, das ich auszuarbeiten versuche, bis ich merke, ob es funktioniert - oder auch nicht. Meistens lege ich das dann aber wieder für eine Zeit weg, mache andere Sachen und kehre Tage, Wochen oder Monate später wieder dazu zurück. Ich habe ständig angefangene Tracks und Skizzen auf meiner Festplatte - sicher so an die 40, 50 Dinger -, und wannimmer ich Zeit oder Lust habe und mich daran erinnere, arbeite ich an etwas weiter, bis ich irgendwann das Gefühl habe, es ist fertig (was häufig richtig lang dauern kann).

Wann weißt du, dass ein Track "fertig" ist?
Platzgumer: Das ist eine rein gefühlsmäßige Entscheidung. Irgendwann stellt sich dieses klare Gefühl ein: das ist es jetzt, daran darfst du keine Hand mehr anlegen.

Womit machst du Beats, womit Atmos?
Platzgumer: Zunächst einmal bin ich ein alter Cubase-Benutzer, im Gegensatz zu den Logic-Benutzern. Ich wollte zwar irgendwann mal auf Logic umsteigen, aber mir ist Logic im Gegensatz zu seinem Namen nie logisch vorgekommen. Das liegt, glaube ich, einfach daran, dass ich schon zu meinen Atari-Zeiten mit Cubase angefangen habe und mit jeder version mitgewachsen bin (auch wenn ich nicht jede neue version wirklich eine verbesserung fand). Jetzt komme ich da wohl nimmer raus. (lacht) Ich mache zwar auch viel mit Ableton Live als sequenzer, aber um Sachen im Studio richtig fertig zu produzieren, ist mir Live zu ungenau. Und mit Cubase fühle ich mich für detailarbeit einfach am wohlsten.

Was benutzt du auf der VST-Seite?
Platzgumer: Ich arbeite viel mit Native Instruments. Von denen bin ich auch endorsed - aus voller Überzeugung, denn was sie machen, ist wunderbar, fast alles, immer schon. Auch mag ich manche Arturia-Software-Synths und die GForce-Sachen, weil sie so komisch schmutzig sind. M-Tron, String Machine… Schmutz spielt für mich überhaupt eine große Rolle; ich mag Musik nicht, die zu clean ist. Das ist auch wahrscheinlich der Grund, warum ich nie - oder wenn, dann nur rein zufällig - so radioformat-konforme Dinge abliefern kann. Diese Sachen sind mir zu clean, zu seicht, zu oberflächlich, zu langweilig. Ich steh auf Störquellen, kleine Fehler und Ungereimtheiten. Damit beginnt Musik zu leben, zu atmen, einzigartig zu sein. Ich arbeite auch immer gern mit Software, die mal abstürzt oder knapp vor dem Absturz ist. Wenn sie gerade knapp vor dem Crash ist, versuche ich, genau diesen Moment noch einzufangen. Es hat mir auch immer schon viel Spaß gemacht, Hardware-Teile oder Software so zu verwenden, wie sie eigentlich nicht verwendet gehören, und sie dann irgendwie auflaufen zu lassen. Ich sehe ja den Computer als Mitmusiker und nicht rein als Ausführenden. Er ist nicht mein Sklave, sondern eher mein Partner, der dann auch seine eigenen Wege gehen soll. Natürlich gebe ich ihm Sachen vor; aber wenn er dann seine eigenen Entscheidungen fällt, gönn ich ihm diese Freiheit!

Wie kamst du dann mit jemandem wie André Heller zurecht, auf dessen Album "Ruf und Echo" [2003] du an einem Stück ["Ist schon vorbei"] mitgewirkt hast? Heller war ja soundtechnisch immer ein Perfektionist.
Platzgumer: Ach, das finde ich gar nicht. Dem ging es auch immer eher darum, einen ‘magischen Moment’ einzufangen. Die 70er-Jahre-Sachen von André Heller, die mir am meisten gefallen, sind schon auch sehr komisch produziert zum Beispiel. Ich weiß noch, wie ich als Kind zum ersten Mal André Heller im Radio gehört habe. "Die wahren Abenteuer sind im Kopf" - das ist so komisch gemischt, das könnte man heute nicht so ins Radio bringen - die Musik, das ganze Orchester total leise, absolut im Hintergrund. Ich weiß noch, dass ich das Radio total aufgedreht habe, weil ich gedacht habe, der Sender ist irgendwie weg. Und dann war total laut im Vordergrund dieser Sprechgesang obendrüber - völlig unproportional in Szene gesetzt, aber genau dadurch total witzig. Ich mag Extreme, auch wenn sie vielleicht als Fehler entstanden sind und nicht so gemeint waren. Ich glaube ja nicht, dass André Heller das heute noch mal so produzieren würde.

Manchmal führen gerade Fehler zu sehr schönen Ergebnissen.
Platzgumer: Absolut! Und dass André Heller das so gelassen hat, finde ich cool. Ich glaube auch zum Beispiel, dass heute niemand mehr "Sgt. Pepper's..." oder das "White Album" von den Beatles in dieser komischen, experimentellen und schmutzigen Art produzieren würde. Aber sie haben es gemacht, und das ist großartig. Ich muss aber, wenn wir über Produktion und über Technik reden, sagen, dass ich generell nicht so ein Technik-Nerd bin. Ich verwende eigentlich alles, was mir in die Finger kommt und irgendein Geräusch macht. Das kann eine alte Ziehharmonika sein, die ich auf dem Dachboden finde, oder ein High-End-Software-Synthesizer. Da bin ich völlig unbefangen.

Wenn dieses Interview gedruckt ist, wirst du "Soundtrack" im Wiener "Museum für Angewandte Kunst" schon erstmals live präsentiert haben, und weitere Auftritte sind geplant. Wie willst du die genuine Studio-Ästhetik des Albums in die Live-Situation übertragen?
Platzgumer: Das habe ich mir auch länger überlegt, wie man das am besten macht. Sich einfach mit dem Laptop irgendwo hinstellen und es mit Ableton Live abspulen, wäre sinnlos und langweilig. Deswegen arbeite ich immer eng mit dem Münchner Video-Produzenten Georg Gaigl zusammen; er macht meine Videos, auf meiner Website sind viele drauf. Mit ihm gemeinsam habe ich die Live-Umsetzung konzipiert. Er hat zum Soundtrack ein ca 45-minütiges Video produziert. Es sind verschiedene Sequenzen in einer riesigen Projektion, Musik vom Playback, nicht die gleiche wie af der CD, aber eine ähnliche, und ich spiele dazu Gitarre. Dadurch hat es einen erdigeren und auch viel mehr Live-Charakter. Es ist anders, aber von der Stimmung her absolut vergleichbar, sehr psychedelisch! Wer sich traut, sich hineinfallen zu lassen, wird mit einem wahren Trip belohnt.
Und dann plane ich noch - es ist noch nicht ganz umgesetzt - eine Live-Sound-Installation für "Soundtrack". Dafür möchte ich eine Hörbox bauen. Das ist ein Kubus, der so aussieht wie die CD, ganz in Weiß und mit der Schrift drauf, wo eine Einzelperson Platz hat. Drinnen ist alles komplett schwarz und total dunkel und soundproof, so dass kein einziger Lichtschein und kein Geräusch von außen hinein dringt. Auf einem bequemen Sessel kann man dann in völlig unabgelenkter Atmosphäre nur die Musik in Dolby 5.1 Surround in sich aufnehmen, so lange man will. Ich werde dafür Anfang Februar in Wien im ORF den "Soundtrack" noch mal neu quadrophonisch abmischen. Ich hoffe die Hörbox wird im Mai so weit sein und dann auf Reisen gehen durch verschiedene Festivals, Galerien und Orte, die sich dafür interessieren.

Klingt nach Kopfkino.
Platzgumer: Ja, das ist wie Kino - wie eine Pornokinokabine, in der man in kompletter Dunkelheit sitzt und sich sozusagen die Musik ansieht.

 

Interview with HP, datamusik.dk, denmark 2001:

beginning with a list of some of the things you have done over the past decade or so (electroacoustic music, jazzrock, pop, elec-tronic music, soundtracks, musicals and radio dramas, multime-dia work, and now r'n'b and world music), it is almost impossible to discover one common denominator.
is there a common denominator or is it important to you not be pinned down, to avoid all kinds of categorizations?
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I hate all sorts of stagnations or purist categories. It just bores me when I or other people repeat themselves and do the same thing over and over again. At the same time it is very important to me to keep up with highest qualities, standards and techniques, so sometimes it takes quite a while to achieve what I’m aiming for. I have to re-invent and re-learn myself constantly. This is what keeps making music interesting and challenging. If I reached something really good , why repeat it and destroy its excitement, its freshness? Only commercial reasons or narrow-minds make artists do the same shit over and over and again. I believe in full freedom of art/music. I allow myself to produce whatever seems intersting and important to me. No matter if it pays off or fits in with the thoughts of some mindless scene-hippsters.
There definitely is a common factor in almost all my work though. The means are different but the approach to music, the mood and the vibes in its radical ideas and a certain perfectionism in its realization shows in all my releases.
There are some people all over the world that understand and just like my style. They can enjoy most of my output, no matter what musical direction it is headed. I reckon that they detect the root and mentality behind it and not let themselves be limited by narrow first impressions and prejudices.
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in other words, is genre-bending and defying classification, something that inspires you to move on, or do you simply find yourself doing so?
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It’s a mix of theoratically wanting to produce innovative, new, interesting music as well as just feeling the inner need and curiosity to move on. Inspiration comes from all surprising angles, especially when you don’t expect it. I allow myself to be inspired by all different things, and have the luck to always find people that follow my ideas or whom I can follow. It keeps my work alive and even pays my bills.
So I’m a lucky underground bastard who loves to surprise himself and his audience.
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do you approach for instance making rock and electronic music differently from making a radio drama, or is the approach always more less similar in terms of for instance compositional strategy?
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in soundtrack/radio work I have a concrete source of inspiration: a story, images, sounds, pictures. So I let myself be drawn into these atmospheres and see where it leads me to.
Also I have some limitations and handicaps to work around with like certain lenghts, target audiences etc. It’s the same with remixes, where I have straight material to start from. These restrictations are quite interesting to work around with because they put a new challenge into the process of music-producing.
On the other hand, in making my own free music where I can do whatever I want to, I just take all different inspirations to guide me to the tunes. This could be a cool sample, some sound, some new audio-program, some conversation or concert I experienced the night before.
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do you find that you have a more or less specific tone of voice which is to be found in everything you do, or do you discover new and unknown voices every time you involve yourself in different projects?
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As I answered before I can see a certain similarity continuing through all my outputs.
But it is constantly blended differently with new influences and goals.
It’s the most exciting thing for me as a musician to discover new tools, new voices, new way and means to create music. The process of constantly re-inventing himself is absolutely necessary for a creative person I’d say. Just like a snake needs to renew his skin every now and then.
--is it in order to keep discovering new sides of yourself and of the music that you constantly move on from making one kind of music to another, or do your merely see it all as making music and as such as more or less the same thing?
--
Universally music-making always remains a similar process. It is creating sounds, melodies, rhtythms, words, moods, athmospheres and feelings. Also it is about creating contact to the listener and having the chance to trigger some sort of change in his perception of the world. Music is connected to all other art-forms as well as to most social and political aspects. Therefor there will always be new things to explore, new inspirations and new necessities in this endless universe of sounds. It’s just the language that you transport it with that changes from time to time.
--being a bit more specific, how come you chose to do some 'world music' for this :datamusik edition, and why do you think that 'everyone hated it' (according to pelle, that's what you told him)?
--
World or Ethno Music has a very bad reputation because of its audience and some of its producers (like paul simon or peter gabriel for instance). So most of the western underground people don’t even give it any chance as soon as they detect some ethnic tribal components. That’s a certain sign of narrow-mindedness that I would like to fight. It’s just like I call the music of my new album (DENIAL OF SERVICE, out in october) JazzRock/Fusion. Most people in my sort of circles state to hate JazzRock without even knowing most of its great ingredients.
If I wouldn’t state that it is World music or JazzRock I am shooting for, they wouldn’t even notice that and just think that it’s interesting modern electronic music. But I think it is important to know the roots and the whereabouts of music. So I like to provoque these listeners by naming the devil.
--is deciding to do some 'world music' something that comes before making the music, or did you make the music first and then decide that this was world music?
--
The Ethno-idea came on a trip through Egypt last year. I just loved some of the music I heard over there, so I bought lots of tapes and sampled and worked with that material.
It always was my intention to make some sort of hardcore ethno with that. Using ethnic influences for rough digital processing. As for most of my releases I had the concept first and then worked along its outlines with also allowing myself to break the rules a bit, not to make ot too theoretical and stiff.
--another forthcoming release of yours is your collaboration with japanese vocalist cami tokujiro. could you say something about how this project came about, and also about how come you chose to do a record based around a serial killer!?
--
It was another concept album idea that turned out almost as a radio drama. We heard the story of this 14-year old japanese serial killer ‘Sakakibara Seito’ and were so shocked and intrigued by his philosophies and violence that we decided to base an album on this case.
So Mr Tokujiro did some research and we used the police reports as a narrative element. In between the depressing story we put some instrumental and vocal tunes to loosen up the record and to give it some positive turn.
--this brings us to another unresolved ambivalence in your musical career: the tension between humour and (in this case at least) deadly seriousness. do you think that most of your releases contain a bit of both, or do you deliberately seek out the extremes in this regard, when you move from queen of japan to the aforementioned japanese serial killer?
--
This ambivalence is quite typically Austrian I think.
Hardly anything ever is just deadserious in my work. At the same time I hate shallow fun-attitudes in art even though I think that keeping up one’s humour is one of the most important things in life.
So you’ll find in most of my releases a serious base, a dark concept, which, in most cases, is loosened up by little jokes and innuendos. So you can find songtitles like ‘Yngwie J. Malmsteen’ on our dark concept album ‘Great Norwegian Explorers’ or a cut-up sequence where football legend George Best talks some merchandise bullshit on my rough breakbeat-album ‘Datacard’.
QOJ is probably the most hedonist project I have, one with hardly any political or ambitious artistic background to it. We just love the songs and the party-sex-glam idea behind it. We’ll just do it for the fun of it as long as we enjoy doing it.
I think all things in life are ambivalent and have more than one face to it. And so is my music.
--

do extremes, then, attract you, and is this one of the motivations behind making different kinds of music?
--
Yes. Extremes always attracted me in all meanings of life. I never intended to do mediocre work that many people can relate to. I always try to explore new ways, to break new limits. I want to produce something really soft, really hard, really short, really epic, really loud, really quiet, and so on. When I achieved something I tend to turn to its other extreme.
Just as one of them legendary explorers whose stories always fascinated and influenced me.

 

THE GAP (feb 09 ):
Aus dem Blickwinkel der Zeit (Richard Schwarz
)
Hans Platzgumer präsentiert im Rahmen der MAK-Nite seine CD "Soundtrack". Ein Text mit Momentaufnahmen der Person und dem Werk ... und Zeit.
KÖB - I don't want to waste my time (1988).
Nach der Matura musste er sofort weg aus Innsbruck, dem Ort, wo ihm mit Scheren bewaffnete Normalos nach seinen rotgefärbten Haaren trachteten. Doch die Anstandsfriseure waren dem damaligen Punk scheißegal. Es ging um's Musikmachen, darum viel zu sehen und sein Ding durchzuziehen. Was bedeutete, dass der Tiroler Sturkopf mit Punkattitude seinen Weg ging, wenig höflich, eher arrogant. Von heute aus zurückblickend meint er, es wäre ja unmöglich gewesen, wie er sich aufgeführt hätte. „Aber damals hat es das gebraucht.“ Womöglich um vor dem englischen Punkpublikum bestehen zu können, das seine Begeisterung unter anderem durch Bespucken zum Ausdruck brachte. Das gehörte alles zum Rausch des Erlebens, der ihn über Wien und Berlin nach New York führte. „Land der unbegrenzten musikalischen Möglichkeiten“ und „Frechheit siegt“, so könnte eine Verkürzung dieser Zeit lauten. Was diese Schlagwörter mit sich brachten, war ein respektabler Publikumsanklang mit der Band HP Zinker. Doch die viel ermöglichende Offenheit ließ ihn geistig ergrauen. Sie wurde zu einer Oberfläche, auf der jeder jedem als bestem Freund alles erzählt, allerdings ohne irgendeinen Gehalt. Er tauschte die Small-Talk-Kultur mit dem Umweg über L.A. und London gegen die Diskussionskultur in Hamburg ein. Hier waren wieder Meinungen zur Musik. Und auch wenn die Meinung laut Alfred Dorfer der „Sonntagsanzug der Dummheit“ sein mag, in dieser Zeit entdeckte der Punk die elektronische Musik. „Dort kaufte ich mir meinen ersten Atari.“
Fatalismus – Gibt es verschwendete Zeit?
„Heute würde ich auch sagen, dass es keine verschwendete Zeit gibt. Außer vielleicht wenn man mit der eigenen, die der anderen auch noch verschwendet.“ Mit rund 30 kamen ihm zwei Ereignisse in den Weg, die der Sturheit Kompromisse abgerungen haben: Vaterschaft und ein Bandscheibenvorfall. Als jemand, der mittlerweile an seine eigene kleine Rolle im Lauf der Dinge glaubt, würde Hans Platzgumer vielleicht sagen: Das war gut so. Nicht nur das Vater werden. Fatalismus scheint eine ihn begleitende Stimmung zu sein. Er vermittelt das Gefühl, dass er Entscheidungen trifft und mit den Auswirkungen gut leben kann. „Und wie sieht es mit der Angst vor dem Versagen aus?“ - „Eher nicht.“ Kurz vor dem Gipfel mit der Einsicht umzukehren, dass es nicht sein will, ist ein großer Akt. Es scheint, als würde die ständige Beschäftigung diese Einstellung begleiten. Im Sinne von Herbert Achternbuschs „Mir fällt ständig etwas ein!“ geht ein Projekt ins andere über. Und um es über den Begriff „Freizeit“ zu beschreiben: Er kennt ihn, doch anfangen kann er nicht so viel damit. Denn wenn ihn eine Tätigkeit anstrengt, erholt er sich bei der nächsten. Dazu passt irgendwie auch die Vorstellung eines für ihn gelungenen Urlaubs, den er gerne im Weltraum verbringen würde. Fernab von den Zeitzonen und dem gewohnten rhytmusgebenden Tag-Nacht-Lauf der Welt.
Weiß – Ein anderes Zeitempfinden
Der Nordpol fasziniert ihn schon lange. „Die Extreme braucht es, um das Wesentliche zu erkennen.“ Das ist ein Grund für das Interesse. Ein anderer findet sich formuliert in dem Roman „Die Entdeckung der Langsamkeit“: „Er war sicher, daß es dort, weil im Sommer die Sonne nicht unterging, zweierlei gab: offenes Wasser, und eine Zeit ohne Stunden und Tage.“ Die Frage nach der Zeit hat etwas Faszinierendes, an einem Ort, an dem die Zeitzonen sich auflösen. Sebastian Fehr, die Hauptperson in Hans Platzgumers Roman "Weiß", sehnt sich nach einem solchen Ort. Er will dem Zeitnetz entgehen, das sich über sein bisheriges leeres Leben legte. Eine Einsamkeit wie diese sei für den Schriftsteller interessant zu beschreiben, jedoch kein guter Weg für das „wirkliche“ Leben. Tatsächlich war Hans Platzgumer rund drei Wochen in der Arktis, genauer auf Spitzbergen. Und obwohl es eine „lächerlich kurze“ Zeitspanne war, so spricht er davon, dass dies sein Zeitgefühl verändert habe. Es ist merkwürdig, um 2 Uhr in der Früh bei Tageslicht für eine Gletschertour aufzustehen, von der man am frühen Nachmittag nach Hause kommt, um sich zur Nachtruhe niederzulegen. In Vorbereitung auf diese Reise laß er viele Expeditionsberichte, deren Protagonisten nach der Rückkehr aus den Gebieten, in denen ein Jahr einen Tag und eine Nacht hat, nicht mehr in die Gesellschaft fanden. „Die fuhren dann so lange in das Eis, bis sie dort endlich gestorben sind.“
Die CD segnet das Zeitliche
Als Hans Platzgumer 1987 seine erste Platte mit "Tod der CD!" betitelte, war es eine Kampfansage. Nun gut 20 Jahre später dem damaligen und jetztigen Titel gerecht werdend als Download wiederveröffentlicht, scheint es als Prognose. Dieses Werk fällt in die zuvor beschriebene Phase, in der es auch ein Ziel war, nicht an drei auffeinander folgenden Tagen in der selben Wohnung zu erwachen; nach so wenig Schlaf wie möglich. Der Stil des Punks findet sich auch im damaligen musikalischen Motto wieder: „Mit gutem Feeling hingeschissen.“ Und dazu passend organisierte er eine öffentliche CD-Verbrennung in Innsbruck. Da die CD damals noch nicht einmal richtig auf der Welt war, nahm sich die Anzahl der vernichteten Exemplare mit rund 20 Stück eher bescheiden aus. Aber egal, ein Zeichen war gesetzt und ein Buchstabe von Platzgummer verloren. Der Urheber kürzte seinen Namen mit einem Strich über dem „m“ ab, dessen die meisten Tastaturen nicht mächtig waren. „Platzgumer klingt auch mondäner.“
Zeitlose Musik – Letzte Compact Disk
Diese Überschrift soll nicht in die Richtung einer Musik führen, die man nicht vergessen kann. Vielmehr führt sie zurück zum ersten Atari in Hamburg. Von dort weiter zur elektronischen Musik in München. „Es zog mich zu Abstrakterem, zur mathematischen Berechnung von Tönen, zu rein digitaler Musik, die in sich selbst ein Leben findet.“ Es geht um dreckigen  Sound, um sphärische Musik, der es möglich ist, ohne Taktung zu funktionieren. Der Produzent muss sich nicht mit anderen abstimmen und kann somit frei die Bewegungen der Musik bestimmen. Hans Platzgumer präsentiert eine Umsetzung dieser Ideen: "Soundtrack". Seine letzte CD-Veröffentlichung mit einer Anspielstation; und es ist trotzdem ein Album. Gestoppt sind es 65 Minuten, in denen ein durchkomponiertes Hörstück über die Dauer und dem sich verändernden Tempo Musik ganz eigen erfahren lässt. Es treffen sich elektronische Klänge und gesammelte Geräusche und führen in die unterschiedlichsten Stimmungen. Manche davon verbreiteten sich in den letzten 10 Jahren in einem Hörspiel, oder einem Film bevor sie nun in Soundtrack eingeflochten wurden. Neben dem digitalen Anteil des Tonträgers CD wurde auch an den analogen gedacht. Hans Platzgumer lud 23 Künstler ein, von der Musik inspiriert, Coverentwürfe für das Booklet zu gestalten. Diese außen weiße CD beinhaltet somit eine Galerie „Bilder eines Soundtracks“ und man hält ein Stück Kunstwerk in Händen. Ihm ist es wichtig, etwas zu hinterlassen, was nur er in dieser Form hinterlassen kann. „Denn das liefert eine gewisse Lebensberechtigung.“ Dafür würde es auch ausreichen, ab und zu das gleiche „Gute“ zu machen, doch das lässt er nicht gelten. Wenn man sich wiederholt, höre man auf, Künstler zu sein. Und von den künstlerischen Absichten soll kein Geld ablenken. „Wenn man sie nicht verwirklichen kann, wird man nicht glücklich. Das weiß ich genau.“ Im Moment bestehen diese „Absichten“ zum Beispiel in der Vertonung von Texten für das Theater, seiner Band Convertible, in Lesungen aus dem Roman „Weiß“ und der Kombination dessen. „Eigentlich gibt es keinen perfekten Ort für mich.“ Überall sei es ein Leben in einer Parallelwelt. Am 29.7.08, dem Tag dieses Interviews, besteht sie aus einem Bad im Bodensee und dem anschließenden Abgeholt-Werden durch seine Familie.


hans platzgumer - Datacard
(De:Bug 2000)

 Ein Multitransformationsmodel. Der Wiener Hans Platzgumer lässt sich in keine musikalischen Schubladen stecken. Sein neues Album ist beispielsweise von brachialen Breakbeats geprägt, die kein Drum and Bass sind. Wie er sich zwischen seinen vielen Projekten bewegt erforschte Oke Göttlich.

Hans Platzgumer wuchs bereits als Baby mit den frustrierenden Erfahrungen eines hochbegabten elektronischen Wesens auf. In der geheimnisvollen Electro-Static City, in der alle hochbegabten Elektronikkinder spielen durften, bekam er dann von den dort lebenden Robotern eine E-Gitarre in die Hand gedrückt und konnte alsbald viele Leute davon überzeugen, dass seine Frustration über das grosse, aber schwer beweisbare wie auslebbare Talent, in die phantasievollen Welten eines Comicstrips gehören.Als Multitransformationsmodel Hans Platzgumer kann dieser Mensch durchaus in der Bandlandschaft ein grosses Haus bauen (Platzlinger, HP Zinker, Goldene Zitronen, Cube&Sphere) wie auch im Stadium (Han)Solo tolle Sachen machen (Fingerfood '98, Aura Anthropica '98) oder remixen. Alles solange bis der Reiz des anderen wieder unter den Fingernägeln brennt. Jetzt war es an der Zeit, für das neue multimediale Solo-Album "datacard" auf seinem eigenen Seperator-Label. Abseits seiner schöngeistigen Hobbies: Theater, Essen und Videokunst, mag es der Familienvater musikalisch derb. Brachiale Breakbeats auf Datacard und derbe Industrial-Kraut Reminiszensen auf Seperator belegen das Motto des ersten Tracks auf Datacard: Hedonist Nightmare. Ein durchaus sinnvolles Ansinnen in dieser Welt voll bewusstloser Aussagen eines Menschen, der Blut und Schweiss aus dem Sampler quetscht.
De:Bug: Wie schaffst du es eigentlich, Dich zwischen Deinen ganzen Projekten zeitlich wie inhaltlich zu bewegen?
HP: Das ist für mich der einzig interessante Weg, immer wieder Abwechslung zu haben und frisch an neue Sachen heranzutreten. Nur so bleibt es aufregend und sinnvoll, neue Platten und Auftritte zu machen. Früher hatte ich mal 6 Jahre fast nur ein Projekt (HP Zinker). Das ist zwar der einzige Weg, kommerziell irgendwann Erfolg zu haben, dafür stinkt es binnen kurzer Zeit nach Abklatsch und Langeweile. Nun habe ich verschiedenste Outlets, verschiedene Labels und Pseudonyme. Sobald ein Avatar langweilig wird oder ich das Gefühl habe, damit erreicht zu haben, was ich wollte, konzentriere ich mich wieder auf was anderes. Oder mach' mal gar nichts mehr musikalisch, wenn mir nichts mehr einfällt. Auf jeden Fall lasse ich mir keinen Druck machen und habe das Glück auf verschiedensten Ebenen funktionieren und gut leben zu können. So pendle ich momentan zwischen Dj-en, Soundtracks, Pop-bands, Kunst und Breakbeat. Mühsamerweise zwar in der Insider-Nische mit Kult-bonus, dafür aber frei von irgendwelchen Zwängen. Nur ist es für Freunde meiner Musik praktisch unmöglich, mein Schaffen gänzlich mitzuverfolgen. Das geht eigentlich nur über meine Homepage, wo fast alles aufgelistet wird, was ich so treibe. Auch die Incognito-Sachen mit Audio- und Videofiles, Jpgs, Rezepten und Comix.
De:Bug: Welche persönlichen Anforderungen, bzw. welche inhaltliche Linie, zieht sich durch Deine verschiedensten Veröffentlichungen?
HP: Ich habe einen sehr perfektionistischen Anspruch und versuche immer irgendwie innovative, neue Musik zu schaffen. Ich halte nichts von Retro und Trash, wie hierzulande so viele andere. Mit der Ausnahme, dass es wirklich mit ausreichend Humor ausgestattet ist. Dadurch bekommt man ja sowieso wieder ganz neue Freiheiten.
De:Bug: Ist der Retro- und Trashaspekt nicht gerade das, was disko b mitsamt seinen Sublabels teilweise ausmacht ? Ich meine damit Projekte wie z.B. Zombie Nation und die Chicks On Speed und einige andere, die es nur gelegentlich schaffen, den Ernst aus der teilweise streng konzeptionierten elektronischen Musik zu nehmen.
HP: Du hast meine Anspielung genau richtig verstanden. Ich finde es sehr schade, dass gerade diese Leute nun seit Jahren in dem Revival eines Revivals festgefahren scheinen. Das bringt die Musik definitiv nicht voran. Zombie Nation sind zwar schon trashig, hatten jedoch genau die richtige Portion Ironie und Humor mitgebracht. Das lass ich mir gefallen.
De:Bug: Steht die Seperator-Serie dem entgegen, oder was musste separiert werden?
HP: Separiert werden sollte zum einen harte, innovative, digitale Mood-Music vom üblichen hedonistischen weichgespülten Underground-Kommerz und andererseits die Seperator Breakbeat-Ambient Schiene vom disko B Technokosmos. Deshalb hatten Upstart und ich die Idee, diese Releases auf einem neuen Sublabel zu präsentieren. Nach über einem Jahr und 5 eigenwilligen Veröffentlichungen stellt sich jedoch die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser Überlegung...
De:Bug: Warum hinterfragt ihr den Sinn der Seperator-Serie? Aus Inkompatibilität zu anderen disko b-Sachen, was ein Grund zum Weitermachen wäre? Oder weil auch ihr Drum'n'Bass den Rücken zukehrt?
HP: Die Seperator-Serie ist ja wirklich kein D&B Outlet. Da kann man schön mit langsamen oder schnellen Breakbeatsachen oder auch mit abstrakteren Ambient-Releases weiterfahren. Für mich steht aber die Frage nach der Kompatibilität zum derzeitigen Rahmen, und ob dieses Umfeld geeignet für derlei Outputs ist. Es ist sehr kraftraubend und macht eigentlich keinen Sinn, aufwendige Releases einem Publikum nahelegen zu wollen, das an derartiger Musik kein Interesse zeigt. Gleichzeitig kommen die Platten grösstenteils gar nicht zu den Leuten durch, die sie wohl schätzen würden. Mir kommt es leider so vor, dass sich in letzter Zeit die Techno- und Breakbeatszenen wieder völlig voneinander entfernen. Die Puristen kehren zurück, und das macht mir Angst.
De:Bug: Wo ordnest du beschreibend die jüngste Veröffentlichung "datacard" zwischen Platzlinger, HP Zinker und den Goldenen Zitronen ein?
HP: Datacard hat mit keinem der genannten Projekte was zu tun. Am ehesten noch mit den Zitronen, weil die Musik hart, kalt und kompromisslos ist. In unserem Kulturkreis stelle ich leider eine Abwendung von musikalischen Diskursen und intellektuellen oder politischen Aspekten fest. Musik soll im Jahr 2000 grossteils nur mehr einem reinen hedonistischen und oberflächlichen Zweck dienen. Das Publikum scheint mir derzeit nicht gewillt, Musik auch als Kunstform zu respektieren. Dagegen stellt die DATACARD ein eindeutiges Statement dar.
De:Bug: Wie kam es bei dir (bei euch: Cube&Sphere) zur Auswahl von harten Breakbeats und dem gewählten Drum'n'Bass-Ansatz. Gibt es da Assoziationen zu anderen Projekten?
HP: Als D&B aufkam, war es für mich wirklich endlich eine musikalische Revolution. Es hatte alles was ich an Musik schätze: Energie, Drive, Pioniergeist, neue Sounds und Rhythmen, die verschiedenste Einflüsse zuliessen. Durch die kompromisslose Härte der Beats und Sounds liegt auch ein politischer Ansatz nicht fern, auch wenn er nicht über Texte klar überbracht wird, sondern eher in Titel und Style definiert ist. Inzwischen ist es aber uncool D&B zu hören, die Szene-Hippster (löffeln zuviel vom dem Zeug, Anm. d. Int.) sind abgesprungen und die TwoStep-Puristen sind inzwischen ungefähr gleich experimentell wie eine Nirvana-Coverband aus der deutschen Provinz. Trotzdem bleibt die Erfahrung der schnellen Breakbeats und meine Liebe für digitale Düstersounds. Damit kann man immer noch interessanten neuen und krassen Dancefloor machen. Überhaupt 'rockt' es halt!
De:Bug: Fehlen dir nicht die unbegrenzten, unvorhersehbaren Möglichkeiten des Live-Band Aspekts im Zuge elektronischer Programmiererei?
HP: Tatsächlich hat sich mein Interesse an reinen Live-Pa's erschöpft. Es suchen ja einige nach neuen Formen, aber interessante Live-Performances sind wirklich äusserst selten. Wir versuchen deshalb immer mehr "echte" "Live"-Instrumente, Multimedia und Showelemente bei Auftritten zu verwenden.
De:Bug: Kommen neue HP Zinkler + Aura Anthropica-Alben?
HP: Aura Anthropica ist schon fertig, aber es ist noch nicht klar, wie und wann es
erscheinen wird. Auf jeden Fall ist es wieder neue, in dem Fall eher angenehme Musik. Sehr funky. HPZ ist im mego-Umfeld in Planung. Ebenso ist eine neue Platte Nachtstrom vs Platzgumer fertig und Cube & Sphere und Ashito-Kusaki tummeln sich auch fleissig im Studio.
De:Bug: Deine derzeitige Lieblingsband?
HP:Queen Of Japan aus Tokio.

Seperator VS Stagnation
(Skug 12-01)

Mit »Denial Of Service« legt Hans Platzgumer ein neues Album auf seiner Seperator Series vor. Ein guter Anlaß den österreichischen Weltmusiker um ein Interview zu bitten. Nach den Gitarrenexzessen mit H. P. Zinker widmet sich Hans Platzgumer nun schon seit einiger Zeit der Erforschung elektronischer Klanglandschaften, wo sein Oeuvre von düsteren Breakbeakt Abstraktionen bis hin zu, wie die neueste Platte schön demonstriert, athmosphärisch – jazzigen Funk – Tunes reicht. Diese unterschiedlichen Resultate veröffentlichte er unter Pseydonymen wie Aura Anthropica und Der Seperator, Alias die er mittlerweile auf Eis gelegt hat: Vor lauter Namen und Pseudonymen kannte ich mich selber in den letzen Jahren gar nicht mehr aus, und wußte gar nicht mehr in welche Projekte ich verstrickt bin. Deshalb mache ich meine meisten Solosachen nun einfach als Hans Platzgumer. Neben meinen Bands »QUEEN OF JAPAN«, »CUBE AND SPHERE« und »SHINTO«.
Als Plattform für radikalere elektronische Releases betreut er außerdem das Disko – B Sublabel »The Seperator Series«, wo bewußt Alternativen zur Weichspüler - Elektronik präsentiert werden und auf der auch das letzte Album, »Denial of Service« erschienen ist. Ein Album das sich Platzgumers Roots annimmt, auf dem akustische und elektronische Klänge als gleichberechtigte Elemente die Rythmik und Ästhetik des Seventies Jazz – Rock aufgreifen und diese in die Jetztzeit transzendieren –
Ich gehe eher von diesen Wurzeln aus und lasse etwas Neues entstehen, das dann im Endeffekt oft kaum mehr Bezug zum Originalansatz haben kann.
Doch letztendlich sieht Platzgumer den Unterschied zwischen Elektronischer und Gitarrenmusik ohnehin nicht wirklich bestehen. Er, der elektroakustische Musik studiert hat, um dann vorwiegend zur Gitarre zu greifen, hat immer schon von einer universellen musikalischen Warte aus produziert:
Beides (Elektronik und Rockmusik) beeinflußt einander gleich wie alle Musikströmungen sich andauernd beeinflussen. Staendig fusioniert irgendwas mit irgendwas anderem und nur so entsteht dann wieder mal was Neues. Mein Elak Studium hat mich schon zu Zinkerzeiten zu elektronischen Experimenten mit Effektgeräten und Produktionsweisen in der Rockmusik bewegt. Jetzt wirkt sich meine musikalische Vergangenheit natürlich auf meinen Umgang mit Elektronik aus.
Das wichtigste ist, dass der Künstler nicht stagniert, sich nicht wiederholt sondern immer wieder nach Neuem sucht. Warum, wenn man etwas Spannendes findet ihm den Nimbus des Aufregend neuen nehmen indem man es noch einmal Produziert. Und neues findet er eben derzeit vorwiegend in elektronischen Gefilden. Es scheint logisch zusammenzuhängen, dass der Wechsel zur binären Produktion mit Platzgumers privatem Wechsel nach Europa zeitgleich verlief, wenn er zwischenzeitlich auch als Gitarrist der Goldenen Zitronen werkte.
Zumindest was den Markt betrifft schätzt er seine Entscheidung, damals mit H.P. Zinker in die USA zu gehen, seine elektronischen Projekte aber in Europa zu zentrieren, obwohl auch das in den USA möglich gewesen wäre:
Amerika ist sehr Gitarrenrocklastig, nach wie vor, und das hat mich damals auch sehr beeinflußt, sonst hätte ich wahrscheinlich schon vor 95 in Elektronik gemacht. Aber die USA sind groß und vielseitig und es gibt auch tolle Elektronik Sachen dort. Natürlich vor allem HipHop basiertes Zeug und RnB, was sogar meine Lieblingsmusik dieser Tage ist.
Aber es waren eben private Gründe die ihn veranlaßten Amerika für Europa zu verlassen. Der American Way of Life begann ihn abzustoßen, die Oberflächlichkeit im alltäglichen Umgang miteinander, Dinge die ihm auch nach den Erreignissen vom 11. September zu denken gaben:
Es ist furchtbar wie dort auf den 11.9. reagiert wird. Dieser unreflektierte Patriotismus war einer der Gründe die mich aus dem Land vertrieben haben. Nie werden Hintergründe erfragt. immer dieses blinde lets go for it. Ich habe in den letzten Wochen sehr viel über Email versucht meine amerikanischen freunde zum nach- und umdenken zu bringen. Teilweise mit erstaunlichem Erfolg. eine bekannte aus Pennsylvania war z.B. zuerst der ärgste hysterische Racheengel und seit kurzem schreibt sie ergreifende kommunistisch - pazifistische Rundmails. So was ist natürlich toll, zeigt aber auch wieder wie leicht und schnell der Großteil der Amerikaner zu beeinflussen ist.
Was dort im Moment an Massenbrainwash und Propaganda abläuft ist grauenhaft. Plötzlich finden alle Bush und Giuliani und die NYPD genial, auch wenn sie vorher noch ganz anders gedacht haben. Das kann aber ja ganz schnell wieder in eine andere Richtung umschlagen. interessant ist das alle mal. Wenn dieser Artikel erscheint werden wir mehr wissen, wohin es die USA treibt.
Gleich erschreckend aber fand ich auch in Deutschland und Österreich plötzlich Leute mit bewußten Stars and Stripes durch die Straßen ziehen zu sehen. Und die Reaktion unserer heuchlerischen EU...
Interessanter ist da in letzter Zeit schon Japan und seine Kultur, Themen über die einige seiner neueren Projekte reflektieren. Queens of Japan ist eines der Projekte, eine Kitsch – Pop Coverband die an die fernöstliche Popmusik und in ihrem Fake – Charakter and die Konstruktionen der Idorus erinnert. Düster dagegen das Projekt »Shonen A« das die Geschichte eines 14 jährigen Serienmörder mittels Polizeiaufnahmen und Musik nachspielt. Und dann ist da vor allem noch Shinto, das Projekt mit dem japanischen Sänger CaMi Tokujiro, welcher Hans , neben den jährlichen Touren dort, auch viel Einblick in die japanische Kultur und Ästhetik gegeben hat, von der er sehr angetan ist. Außerdem ist er ein großer Liebhaber der japanischen Küche.
Da kann auch der Fakt dass Japan immer hipper wird nichts dran ändern.
SHINTO arbeitet übrigens an einem neuen Album, das sich dem Thema Hoffnung widmet und nächstes Jahr erscheint.


Hans Platzgumer - DOS
(Patysan 2001)

Musikgeschichte neu verarbeiten
Partysan: Im Alter von 17 Jahren hast Du Dein erstes Album veröffentlicht. Es trug den Titel "Tod der CD!" - ein kleiner Protest gegen die aufkommende CD-Industrie. Was war stilistisch auf dem Album geboten?
Hans Platzgumer: Das war Lo-Fi-Indie-Gitarrenpop mit vielen akustischen Instrumenten, sehr weird, und mit einer Unzahl von Songs. Wegen seiner Unbekümmertheit wurde es wohl so kultig, dass es jetzt viel gesucht ist - obwohl man es sich eigentlich kaum anhören kann. Aber es hatte sehr viel Energie und eine Handvoll fetziger Ideen.
Das Tracklisting beinhaltete unbekümmerte Titel wie "I don’t want to work no more!", "You are not the only girl which I love or hate", oder auch "Searching for naked girls"...
Hans Platzgumer: Ich war damals Sechzehn und konnte nicht so gut Englisch - also habe ich einfach gesungen, was mir so einfiel und was ich mir von meinen Vorbildern zusammengeklaut hatte. Alles in allem spiegelt sich darin aber ganz gut meine damalige Wildheit und mein Abenteuerdrang wider.
Wie ist Dein heutiges Verhältnis zur CD- bzw. Musikindustrie?
Hans Platzgumer: Das sind meine Brötchengeber und es ist ein beschissenes Business - wie die meisten anderen auch. Es gibt überall zu viele Idioten, die sich wichtig machen, obwohl sie keine Ahnung haben. Ich habe gelernt, damit umzugehen.
In Deiner langen Zeit als Musiker hast Du unzählige Projekte gemacht, bist zahlreiche Kollaborationen eingegangen. Kann man dabei auch immer von "Schaffensperioden" sprechen, die aufeinander aufbauen, oder ist alles völlig unabhängig voneinander zu betrachten?
Hans Platzgumer: Ich bin ja immer der selbe Mensch, der sich weiterentwickelt - und somit fließt jede Erfahrung eines alten Projektes in ein neues ein. Auch wenn die Stile oder Spielregeln oft ganz anders sind, läuft doch immer wieder alles nach ähnlichen Mustern ab. Man lernt nie aus, aber immer dazu.
Von den Computerjockeys stammt das Zitat: "In Bands zu spielen ist mitunter eine nervige Sache: Der Schlagzeuger ist zu laut, irgendjemand kommt zu spät, oder man muss ständig darüber diskutieren, wie man ein Stück arrangiert." Du warst ja in mehrere Bandprojekte involviert – würdest Du dieser Aussage zustimmen?
Hans Platzgumer: Auf jeden Fall. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, wieder in einem kalten, dreckigen Proberaum rumzuhängen und irgendwann ein paar Stücke mit furchtbarem Sound eingeprobt zu haben. Frierend und krank. Mich wundert, dass das heutzutage noch so viele Bands tun. Es lebe das Studio und das Produzentendasein!
Wie sehr bist Du Perfektionist und detailverliebt? - was das Produzieren angeht ...
Hans Platzgumer: Sehr, sehr, sehr! Manchmal zu sehr. Ich arbeite zwar sehr schnell - wie man an meiner Diskografie sieht. Doch oft "wurschtel" ich ewig lange an Mini-Details herum. Das wissen einige zu schätzen, andere merken’s gar nicht. Generell bin ich eher genau, und ich vermeide unsauberes, trashiges Arbeiten.
Das Herausarbeiten von neuen Aspekten scheint Dir recht wichtig zu sein. Darf man sich dieses Vorgehen als "Experimentieren" vorstellen, oder entwickelst Du vorab klare Vorstellungen, die es umzusetzen gilt?
Hans Platzgumer: Ich bin immer auf der Suche nach neuen Wegen, Musik zu machen, Neues zu kreieren oder Stile neu ineinander zu mixen. Nur so hat es einen Sinn, überhaupt was zu machen. Irgendwann kommt mir dann eine konzeptionelle Idee, und ich setze mich solange daran, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden bin.
Du arbeitest recht gerne mit gebrochenen Beats/Breakbeats, siehst Dich aber nicht als typischen Vertreter des Drum’n’Bass-Genres - oder? Inwieweit beschäftigst Du Dich mit der Drum’n’Bass-Szene, und was meinst Du, wie es umgekehrt aussieht?
Hans Platzgumer: Drum’n’Bass war für mich der wichtigste Musikstil des letzten Jahrzehntes. Es kamen so viele Welten zueinander. Im Moment herrscht da Stillstand, und mir fällt auch kein toller Weg aus der Sackgasse ein. Deshalb ist es derzeit für mich am interessantesten, das Tempo wieder runterzukurbeln, aber das gelernte Beatbrechen beizubehalten. So landet man dann z.B. bei Dub, R’b’B, HipHop oder Elektro. Auch kann man hier die tollen Sounds, die im "futuristic" Drum’n’Bass entwickelt worden sind, sehr schön neu einsetzen. Die meisten Dancefloor-Remixe, die ich zur Zeit mache, gehen in derlei Richtungen.
Jazz-Rock der 70er Jahre wird als "einflussgebend" zu Deinem aktuellen Album "Denial of Service" im Infosheet genannt. Dieser Jazzstil stand für die Herausbildung eines neuen Musikertyps, der Jazz und Rock und verschiedene musikalische Kulturen transzendiert und integriert. Siehst Du Dich - auf die elektronische Musik bezogen - ebenfalls in einer solchen Rolle?
Hans Platzgumer: Ich sehe mich nicht als einen Miles Davis, der die Musik revolutioniert. Aber ich habe da einen Weg gefunden, ein gutes Stück Musikgeschichte neu zu verarbeiten - und damit ein uniques Album in die derzeit doch ziemlich konzeptlose Musik-Szene zu setzen. Das soll auch noch weiter gehen – noch vieles in dieser Richtung inspiriert mich.
So vielschichtig das ganze Album ist, hat man auch bei den Tracks oft den Eindruck, sie bestehen aus mehreren Ebenen, die sich auch nicht nur ergänzen müssen. Ein bewusst verwendetes Stilmittel, das gleichzeitig auch den "roten Faden" bildet?
Hans Platzgumer: Genau. Wie beim Kochen. Verschiedene Ebenen ergeben zusammen was Gutes, was Ganzes. Bei einem Album denke ich auch immer so, dass verschiedene Stilmittel und Produktionsmethoden immer wiederkehren, um so einen Bogen zu schließen. Ich mag Stilvielfalt, aber kein Stilchaos.
Mit "Lazy" und "Stay onlife" gibt es zwei Tracks auf dem Album, denen man einen gewissen Pop-Appeal nicht absprechen kann ...
Hans Platzgumer: Ja, stimmt. Manche finden das großartig, andere Hardliner finden das kommerziell. Ich mag es als Auflockerung.
Hast Du schon eine konkrete Vorstellung, wie sich die "Seperator"-Series weiterentwickeln wird?
Hans Platzgumer: Ja. Als Nächstes kommt das neue Cube & Sphere-Album, das sehr poppig und soulig geworden ist. Dann folgen voraussichtlich ein, zwei japanische Releases.
Woran arbeitest Du gerade noch?
Hans Platzgumer: Neue Alben für Shinto, QueenOfJApan, Cube&Sphere, weiters diverse Soundtracks und Remixe. Außerdem möchte ich ein neues Zinker-Album und ein superpsychedelisches Digital-Krautalbum angehen."Denial of Service" ist bereits auf DiskoB/Heimelektro Ulm erschienen

 

Platzgumer
Vom Reisen und Rocken (Loop Mag 12-01)

Er hat mit elf sein erstes Konzert gegeben, reist seit Jahren heimatlos durch die Welt, hat Bands wie Tocotronic oder die Goldenen Zitronen produziert und veröffentlicht eine gut Platte nach der anderen. Jetzt kehrt Hans Platzgumer mit seinem neuen Album „Denial Of Services“ (Disco B/EFA) zurück nach Österreich und hat endlich wieder ein Zuhause.
„Ich bin ein sehr ruheloser Mensch. Das wird auch mit dem älter werden nicht besser. Ich bin gerade 32 geworden, aber wieder ein Zuhause zu haben ist schon ein schöner Gedanke“, lacht Hans Platzgumer. Vielleicht gefällt ihm der Gedanke, weil er meist an mehreren Projekten gleichzeitig arbeitet. Das bedeutet für ihn, dass er viel Zeit in Flugzeugen oder der Bahn verbringt. „Bis jetzt war es toll so zu leben. Ich war schon immer sehr neugierig und wollte viel sehen. Außerdem ist meine Freundin Zigeunerin. Ihr macht das Reisen nichts aus.“ Viele seiner neuen Songs sind deshalb „on the road“ auf seinem Laptop entstanden. Irgendwo unterwegs von einem Ort zu einem anderen. Es gibt sogar Platzgumer-Songs, die während eines Interkontinental-Flugs komponiert und produziert worden sind. Den Feinschliff gibt es dann später in einem großen Studio. „Wenn Hacker durch einen Großangriff eine Internetseite zum Zusammenbruch bringen, nennt man das einen „Denial Of Services“, erklärt Hans den Titel seines neuen Albums. Er habe ein neuartiges, elektronisches Album produzieren wollen, meint er. Eins ohne den üblichen 80ger Retro-Elektro-Kitsch. Der hängt ihm sowiso schon so lange zum Hals raus. Hans hat entgegen dem allgemeinen Musikhype seine alten 70ger Jahre Jazzrock Platten vom Dachboden geholt. Mit denen, und später dann mit Punk, ist Hans Platzgumer in Österreich aufgewachsen. „Ich glaube, dass für jeden Musiker die Platten mit denen er aufgewachsen ist extrem wichtig sind. Dadurch wird man immer wieder inspiriert. Diesmal habe ich fast so etwas wie ein Black Music Album aufgenommen. Es geht um Jazz und alten Soul“, sagt er. Dass Hans auch auf R. Kelly, Mary J. Blidge und Destinys Child steht, hört man seinem Album allerdings kaum an. „Doch!“, sagt Hans. „Du mußt ganz genau hin hören, dann entdeckst Du wie viele R & B Groove Wurzeln ich verwendet habe.“ Diese Grooves hat Hans teilweise bis zum Unkenntlichkeit elektronisch verfremdet und weiter entwickelt. Über einigen der Songs schweben die Stimmen der Gastsägerinnen Catriona Shaw und Anne La Plantine, begleitet von teilweise sehr komplexen Jazzgrooves. „Wenn in der Gegenwart nichts spannendes passiert, suchen die Leute eben mal wieder in der Vergangenheit. Viele Künstler kommen dann wieder beim Jazz an“, erklärt Hans. „Das war damals, als Drum´n Bass langweilig wurde so, und jetzt passiert in der House Music das selbe. Im Moment gibt es in der Musikszene einfach keinen Stil bei dem etwas wirklich spannendes passiert. Alles hat ein wenig an Reiz verloren. Dieses unsägliche Elektrogedudel hängt mir jedenfalls an beiden Ohren heraus. Ich habe versucht diese Leere mit dem neuen Album zu überwinden und etwas spannendes zu produzieren.“ Es ist ihm gelungen.